Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) hat am 8. Dezember 2023 den Entwurf der Stromspeicher-Strategie veröffentlicht. Die Stromversorgung soll im Jahr 2035 nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien basieren. Die volatile Erzeugung der erneuerbaren Energien erfordert daher eine enorme Flexibilität im Energieversorgungssystem. Stromspeicher werden künftig sowohl bei der Stromspeicherung als auch bei der Systemstabilität eine entscheidende Rolle spielen.
Arten von Stromspeicheranlagen
Stromspeicheranlagen lassen sich unterteilen in Großspeicher wie Pumpenspeicherkraftwerke (PSW) und Großbatteriespeicher sowie in Kleinspeicher wie Gewerbespeicher, Heimspeicher und rückspeisende Elektromobile („bidirektionales Laden“). Das BMWK schätzt die PSW und die Großbatteriespeicher als die wichtigsten Stromspeicheranlagen ein. Sie dienen überwiegend der Teilnahme am Intraday-Handel und zur Bereitstellung der Regelleistung für die Netzbetreiber zum Zwecke der Frequenzstabilisierung. Kleinspeicher werden hingegen primär eingesetzt, um eine Nutzungssteigerung des eigenerzeugten Stroms zu bewirken. Derzeit machen Heimspeicher den größten Anteil aller gemeldeten Batteriespeicher aus, an zweiter Stelle stehen die Großbatteriespeicher.
Rechtsrahmen für Stromspeicher
Das BMWK stellt eine andauernde Fortentwicklung des Rechtsrahmens für Stromspeicheranlagen und eine zunehmende Privilegierung der Anlagen fest.
Rechtliche Einordnung von Stromspeicheranlagen
Im Rahmen des „Osterpakets 2022“ hat die Definition des Energiespeichers nach europäischem Vorbild gem. Art. 2 Nr. 59 Strombinnenmarktrichtlinie 2019/944 Eingang in das EnWG gefunden. Nach § 3 Nr. 15 EnWG sind Energiespeicheranlagen Anlagen zur Erzeugung, Speicherung, Fortleitung oder Abgabe von Energie, soweit sie nicht lediglich der Übertragung von Signalen dienen. Mit der Einführung des § 3 Nr. 15 EnWG geht jedoch keine energierechtliche Neueinstufung der Stromspeicheranlagen einher, diese sollen wie bisher in ihrer Doppelfunktion als Letztverbraucher und Erzeuger gesehen werden.
Seit dem Inkrafttreten des § 11c EnWG zum 29. März 2023 ist ein überragendes öffentliches Interesse an der Errichtung von Stromspeicheranlagen gesetzlich verankert, wodurch eine Privilegierung der Stromspeicheranlagen im Genehmigungsverfahren bezweckt wird.
Netznutzungsentgelte
Weitere spezielle Vorschriften zugunsten von Stromspeicheranlagen finden sich in § 118 Abs. 6 EnWG sowie in § 19 Abs. 2, Abs. 4 StromNEV. Hiernach sind Großspeicheranlagen teilweise oder vollständig von der Pflicht zur Entrichtung von Netzentgelten befreit. Die als Übergangsregelung gedachte Netzentgeltbefreiung nach § 118 Abs. 6 EnWG wurde mit Verabschiedung des Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften kürzlich um drei Jahre, d.h. bis 2029, verlängert.
KWKG-Umlage und Offshore-Netzumlage
Eine zusätzliche Privilegierung kommt Stromspeicheranlagen durch § 21 Abs. 1 und Abs. 2 EnFG zugute. Danach sind die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage in dem Umfang auf null zu verringern, in dem der durch die Einspeicherung verbrauchte Strom in das Netz nach der Ausspeicherung zurückgespeist wird. Entscheidend ist dementsprechend die bidirektionale Nutzung der Anlage. Die Befreiung greift auch für Solaranlagen-Heimspeicher, in denen weitere Strommengen, die erzeugt bzw. verbraucht werden, in die Saldierung miteinbezogen werden müssen. Entsprechend anwendbar ist die Regelung auf Ladepunkte, die bidirektional genutzt werden, § 21 Abs. 3 Energiefinanzierungsgesetz (EnFG).
Förderanspruch nach dem EEG 2023
Besonderer Anreiz für die Errichtung von Stromspeicheranlagen besteht durch ihre Einordnung als Anlage i.S.d. § 3 Nr. 1 EEG 2023 für den Fall, dass die Stromspeicheranlage ausnahmslos Strom aus erneuerbaren Energien oder Grubengas aufnimmt. Dann hat der Betreiber der Erneuerbaren-Energien-Anlage einen Förderungsanspruch nach § 19 Abs. 3 EEG 2023 auch, wenn der erzeugte Strom vor der Netzeinspeisung in einer Stromspeicheranlage gespeichert wird.
Energiespeicheranlagen als steuerbare Verbrauchseinrichtungen
Unter dem 27. November 2023 hat die Bundesnetzagentur („BNetzA“) von der Ermächtigung nach § 14a Abs. 1 S.1 EnWG Gebrauch gemacht, wonach sie bundeseinheitliche Regelungen treffen kann, nach denen Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen und Lieferanten, Letztverbraucher und Abschlussnehmer verpflichtet sind, Vereinbarungen über die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen oder von Netzanschlüssen mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen im Gegenzug für Netzentgeltreduzierungen abzuschließen. Im Zuge der Beschlussfassung hat die BNetzA Stromspeicheranlagen in den Numerus Clausus der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen aufgenommen. Dadurch ist es nunmehr auch für Betreiber von Stromspeichereinrichtungen möglich, Netzentgeltreduktionen zu erzielen, außerdem werden die Betreiber dazu animiert, sich netzverträglich zu verhalten.
Stromsteuer
Stationäre Batteriespeicher sind nach § 5 Abs. 4 StromStG und Pumpspeicheranlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 2 StromStV vom Abführen der Stromsteuer befreit, wenn der beim Ausspeichern erzeugte Strom wieder in das Netz eingespeist wird.
Baukostenzuschüsse
Nicht zuletzt ergeben sich weitere Privilegierungen für die Betreiber von Stromspeicheranlagen im Bereich der Baukostenzuschüsse. Speicheranlagen, die in Niederspannung Strom beziehen, sind von der Zahlung von Baukostenzuschüssen nach § 11 Abs. 3 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) bis zu einer Leistung von 30 kW ausgenommen. Abzuwarten bleibt, ob die BNetzA nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften von der dortigen Ermächtigung zur Regelung der Baukostenzuschüsse für Stromspeicheranlagen, die an höhere Spannungsebenen angeschlossen sind, Gebrauch macht.
Handlungsbedarf und Fortentwicklung
Das BMWK beabsichtigt, durch eine Fortentwicklung des Rechtsrahmens den andauernden Stromspeicherhochlauf angemessen mitzutragen und Stromspeicheranlagen bestmöglich in das Energieversorgungssystem zu integrieren. Zu diesem Zwecke hat das BMWK unterschiedliche Handlungsfelder identifiziert.
Regelungsrahmen des EEG 2023
Nach dem BMWK sollen in Betracht kommende Änderungen des EEG 2023 evaluiert werden. Insbesondere möchte das BMWK prüfen, inwieweit eine rechtliche Umgestaltung der bestehenden Vorschriften möglich ist, damit Stromspeicheranlagen gleichzeitig aus erneuerbaren Energien stammenden, sog. Grünstrom, und Strom aus dem Netz, sog. Graustrom, speichern können und dennoch die Förderung nach dem EEG 2023 behalten. Derzeit führt der neben den Bezug von Grünstrom tretende Verbrauch von Graustrom zwecks Speicherung zum Verlust der Förderung.
Weiter soll geprüft werden, ob für Stromspeicheranlagen, die in räumlicher Nähe zu Erneuerbare-Energien-Anlagen errichtet werden, sog. erzeugernahe Speicher, weitere Anreize geschaffen werden müssen.
Anpassungen der Netzentgeltpflicht
Bei den Netzentgelten stellt das BMWK für Großspeicheranlagen eine rechtzeitige Diskussion aller Beteiligten mit der BNetzA zum Zwecke der Verlängerung der Netzentgeltbefreiung nach § 118 Abs. 6 EnWG über August 2029 hinaus in Aussicht.
Im Hinblick auf Kleinspeicher erhebt sich in diesem Zusammenhang primär die Frage, wie eine systemoptimale Nutzung dieser zukünftig erreicht werden kann. Denn das BMWK sieht in der Nutzung der Kleinspeicheranlagen ein großes Potenzial für eine Flexibilisierung des Energieversorgungssystems. Nach der bisherigen Gesetzeslage werden Anreize für die Optimierung der Nutzung des eigenerzeugten Stroms geschaffen, wohingegen es für Eigenstromerzeuger unwirtschaftlich ist, Strom aus dem Netz zu beziehen. Als einen ersten Schritt in die „richtige“ Richtung bewertet das BMWK die Einstufung von Stromspeicheranlagen als steuerbare Verbrauchereinrichtungen gem. § 14a EnWG, weil diese Qualifikation die Möglichkeit der Netzentgeltreduzierung bei netzverträglichem Verhalten schafft.
Planung, Genehmigung und Realisierung von Energiespeicherprojekten
Als Ausbauhemmnis qualifiziert das BMWK den Umstand, dass die Kosten für den Netzanschluss vor der Projektrealisierung nur schwer zu kalkulieren sind, weil es erhebliche regionale Unterschiede gibt. Diese Unterschiede führen dazu, dass eine unausgeglichene Ansiedlung von Stromspeicheranlagen begünstigt wird, die letztendlich dem Gesamtsystem nicht zuträglich ist. Daher prüft die BNetzA derzeit, ob verbindliche Regelungen zu Baukostenzuschüssen und Netzanschlusskostenbeiträgen notwendig sind.
Weiteres Ziel des BMWK ist die Beschleunigung von Netzanschlüssen, die derzeit mit Branchenvertretern diskutiert wird. Darüber hinaus möchte das BMWK untersuchen, ob eine Ausweitung der Regelung über den vorrangigen Netzanschluss nach § 8 Abs. 1 EEG 2023, die derzeit nur für die Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien gilt, auf Energiespeicheranlagen im Allgemeinen erfolgen soll.
Um die Akzeptanz der Errichtung von Energiespeicheranlagen bei der Bevölkerung in den betroffenen Kommunen zu steigern, visiert das BMWK eine Änderung des § 29 GewStG durch das Bundesfinanzministerium an. Dadurch sollen die Standortgemeinden vermehrt an den Gewerbesteuereinnahmen aus den Großspeichern teilhaben. Außerdem können Standortgemeinden nach § 6 EEG 2023 bei Windenergie- und Freiflächenphotovoltaikanlagen finanziell an der Einspeisevergütung beteiligt werden, inwiefern das auf Stromspeicheranlagen übertragen werden kann, wird das BMWK evaluieren.
Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf die Ausbauförderung von Speicheranlagen ist die Vereinfachung und Verkürzung des Genehmigungsverfahrens.
Beitrag zur Systemstabilität
Zentral ist aus Sicht des BMWK ferner, dass Stromspeicheranlagen in Zukunft mehr zur Gewährleistung der Systemstabilität beitragen, was maßgeblich durch die Weiterentwicklung der technischen Eigenschaften der Speicheranlagen und der Beschaffungsverfahren bedingt ist.
Zur Verwirklichung dieses Ziels stehen drei Möglichkeiten offen: Entweder kann der Beitrag von Stromspeicheranlagen zur Systemstabilität in den Netzanschlussbedingungen als technische Anforderung verpflichtend festgeschrieben werden. Weiter erscheint es denkbar, die Beschaffung über ein marktgestütztes freiwilliges Verfahren zu regeln. In Anlehnung an § 12h EnWG hat die BNetzA in der Vergangenheit bereits ein solches Beschaffungssystem zur Schwarzstartfähigkeit festgelegt. Marktgestützte Beschaffungssysteme für die Spannungsregelung/Blindleistung und die Momentanreserve sollen 2024 folgen. Für die letztgenannten nichtfrequenzgebundenen Systemdienstleistungen erweisen sich Stromspeicheranlagen als besonders geeignet. Zuletzt kann die Stärkung des Beitrages von Stromspeicheranlagen zur Sicherstellung der Systemstabilität über das Verständnis der Stromspeicheranlage als Bestandteil von Netzbetriebsmitteln der Netzbetreiber erreicht werden.
Bidirektionales Laden
Das BMWK möchte in Anlehnung an den „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ ein Augenmerk auf die Stärkung des bidirektionalen Ladens von Elektromobilen auch durch Schaffung verbesserter rechtlicher Bedingungen legen. In diese Richtung hat das BMWK mehrere Schritte eingeleitet. Unter anderem hat der Beirat der Nationalen Leitstelle konkrete Handlungsempfehlungen für die diskriminierungsfreie Nutzung des bidirektionalen Ladens entwickelt und im Anschluss an den im November abgehaltenen EU-Gipfel zum bidirektionalen Laden sollen sich europäische Arbeitsgruppen bis September 2024 vertieft mit dem Thema auseinandersetzen.
Weiteres Verfahren
Mit der Stromspeicher-Strategie legt das BMWK den Grundstein für die Anpassung des Rechtsrahmens für Stromspeicher. Die Stromspeicher-Strategie wird im nächsten Schritt mit der Branche konsultiert. Stellungnahmen von Branchenverbänden können bis zum 16. Januar 2024 an das BMWK gesandt werden.