Die Corona-Pandemie stellt Deutschland und die Welt vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. Noch vor kürzester Zeit unvorstellbare behördliche Maßnahmen, wie etwa die flächendeckende Schließung von Einzelhandelsbetrieben, Restaurants oder Hotels, sind mittlerweile Realität geworden. Die Bundesländer, Kreise oder Kommunen haben weitere Beschränkungen erlassen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass zusätzliche Maßnahmen und als ultima ratio flächendeckende Ausgangssperren folgen werden. Ziel dieser drastischen behördlichen Maßnahmen ist es, die Sozialkontakte auf das notwendige Minimum zu reduzieren in der Hoffnung, dadurch den exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen zu verlangsamen, die Ansteckungsketten zu unterbrechen und Zeit für die Vorbereitung der Kliniken auf weitere Intensivpatienten zu gewinnen.
Diese Situation hat auch auf die Immobilienwirtschaft vielfältige Auswirkungen und stellt diese vor Herausforderungen. Eine der ersten Fragen, die derzeit Vermieter und Mieter intensiv beschäftigen, ist, ob behördlichen Anordnungen wie die Schließung von Einzelhandelsbetrieben Hotels, Friseur Betrieben etc. oder die Untersagung des Verzehrs von Speisen und Getränken innerhalb von Gastronomie Betrieben Einfluss auf die Mietzahlungsverpflichtung des Mieters haben. Denn Fakt ist, dass die betroffenen Betriebe ohne Umsatzerlöse Liquiditätsschwierigkeiten bekommen und damit zur Minimierung ihrer Fixkosten gezwungen sind. Dazu zählen insbesondere die Miet- und Personalkosten. Fallen Mietzahlungen aus, kann dies auch auf Vermieterseite zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vermieter laufende Darlehensverpflichtungen aus Fremdkapital- und/oder Mezzanine-Finanzierungen zu bedienen haben.
Vorrang der vertraglichen Vereinbarungen
Zuallererst ist wie immer ein Blick in den jeweiligen Gewerbemietvertrag angezeigt.
Inhalt und denkbare Rechtsfolgen vertraglicher Vereinbarungen
In Gewerbemietverträgen sind Regelungen, wie sich zuvor beschriebene behördliche Anordnungen in Ausnahmesituationen vergleichbar dem aktuellen Pandemiefall auf die Mietzahlungspflicht des Mieters auswirken, eher selten enthalten. Denkbar sind so genannte „Force-Majeure-Klauseln“, die die gesetzliche Risikoverteilung für Fälle höherer Gewalt abwandeln. Es stellt sich bei solchen Klauseln die Frage, ob der Ausbruch der Covid-19-Pandemie einen Fall höherer Gewalt darstellt. Sehen die Klauseln ausdrücklich vor, dass Epidemien, Pandemien, Seuchen oder Quarantäneanordnungen als höhere Gewalt einzustufen sind, wären die Klauseln aktuell einschlägig. Denn seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch des Covid-19 am 11. März 2020 als Pandemie eingestuft hat und auch das Robert-Koch-Institut (RKI) dieser Bewertung zustimmt, kann davon ausgegangen werden, dass ein Fall höherer Gewalt im Sinne solcher Klauseln vorliegt.
Sofern die Force-Majeure-Klausel nicht ausdrücklich derartige Fälle nennt, muss näher untersucht werden, ob höhere Gewalt unter rechtlichen Gesichtspunkten angenommen werden kann. Höhere Gewalt wird überwiegend als externes, unverschuldetes und unabwendbares Ereignis verstanden, das keinen betrieblichen Zusammenhang aufweist und auch nicht durch äußerste Sorgfalt abwendbar ist (BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 142/15). Aufgrund der sowohl national als auch international erlassenen Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Handel massiv beeinträchtigen, dürften gute Gründe dafür sprechen, Vertragsausfälle aufgrund der Covid-19-Pandemie als einen Fall höherer Gewalt im Sinne der vorstehenden einzustufen – diese Frage ist aufgrund ihrer Aktualität rechtlich jedoch noch nicht abschließend geklärt.
Des Weiteren kommen Vertragsklauseln in Betracht, die konkret auf behördlich angeordnete Betriebsschließungen Bezug nehmen. Ob von solchen Regelungen auch Schließungen wegen Pandemien umfasst sind, hängt von der vertraglichen Ausgestaltung der mietvertraglichen Regelung ab. Dies ist somit für den Einzelfall zu beurteilen.
Welche Rechtsfolgen sich aus diesen Regelungen ergeben, ist ebenfalls von der konkreten Formulierung der Regelung abhängig. In Betracht kommen eine (temporäre) Mietreduzierung, eine (temporäre) Aussetzung der Mietzahlungspflicht, eine Stundung der Mietzahlungspflicht oder gar ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Mieter. Rechtsfolgen zugunsten des Vermieters werden solche mietvertraglichen Vereinbarungen im Allgemeinen nicht enthalten, da für die Situation des Vermieters kein (zusätzliches) Sicherungsbedürfnis besteht.
Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen
Haben die Parteien in ihren Gewerbemietverträgen eine Regelung im zuvor beschriebenen Sinne getroffen, dürfte diese wegen des im Gewerbemietrecht geltenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit wirksam und damit maßgeblich sein, wenn es sich um eine individualvertragliche Regelung handelt.
Ist die vertragliche Regelung hingegen als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. §§ 305 ff. BGB zu qualifizieren, kommt es für deren Wirksamkeit darauf an, ob sie zugunsten des „Verwenders“, d.h. desjenigen, der die Vertragsklausel gestellt hat, formuliert ist oder zugunsten des anderen Vertragspartners. Fällt sie zugunsten des Verwenders aus, unterliegt sie der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, die auch auf Gewerbemietverträge Anwendung findet. Der Grundsatz ist auch hier, dass eine solche Vertragsklausel unwirksam ist, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt. Dies ist dann der Fall, wenn die Regelung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, oder wenn sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Ist beispielsweise in vom Mieter gestellten Gewerbemietverträgen eine als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizierende Klausel vereinbart, wonach der Mieter bei Betriebsschließungen aufgrund höherer Gewalt keine Miete zu zahlen hat oder ihm gar ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, scheinen Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Klausel begründet. Denn wie nachstehend noch näher erläutert wird, liegt das Verwendungsrisiko der Mietsache nach dem gesetzlichen Grundgedanken beim Mieter. Eine Regelung, die den Mieter für solche Fälle von seiner Mietzahlungspflicht befreit, weicht damit wesentlich vom Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Infolgedessen besteht für den Mieter sicher ein nicht unerhebliches Risiko, dass eine entsprechende mietvertragliche Vereinbarung der Inhaltskontrolle des § 307 BGB nicht standhält und im Streitfall von der Rechtsprechung als unwirksam angesehen wird.
Derzeitige Gesetzeslage
Keine speziellen gesetzlichen Vorschriften
Im Unterschied zu den Jurisdiktionen anderer Länder gibt es im deutschen Recht bislang keine Vorschrift, die Sonderregelungen für die Mietzahlungspflicht des Mieters in Fällen wie diesen beinhaltet. Insbesondere enthält auch das Infektionsschutzgesetz (IfSG), auf das überwiegend die derzeitigen drastischen Maßnahmen gestützt werden, keine Regelung.
In unserem Nachbarland Österreich verhält sich dies beispielsweise anders. Dort sind für solche Fälle die §§ 1104 ff. ABGB einschlägig. Danach hat der Mieter oder Pächter in Österreich für die Dauer und den Umfang der Nutzungsunfähigkeit keine Miete zu entrichten, wenn eine gemietete Betriebsstätte aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" überhaupt nicht genutzt oder verwendet werden kann. Bei teilweiser Nutzbarkeit der gemieteten Räumlichkeiten kann der Mieter den Mietzins anteilig reduzieren. Anders als der Mieter hat der österreichische Pächter diese Möglichkeit jedoch nur, wenn der Mietvertrag für eine bestimmte Dauer von einem Jahr (oder weniger) abgeschlossen wird und zusätzlich mehr als die Hälfte der üblichen Einnahmen verloren geht.
Allgemeines mietvertragliches Gewährleistungsrecht nach §§ 536 ff. BGB
Für die Frage, ob die Mietzahlungspflicht des Mieters bei Betriebsschließungen uneingeschränkt fortbesteht oder (teilweise) entfällt, sind somit die allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs maßgeblich. Ein Entfallen der Leistungspflicht des Mieters wegen Unmöglichkeit auf Vermieterseite nach § 275 BGB kommt aus unserer Sicht nicht in Betracht, da die allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts für Mietverhältnisse zumindest nach Übergabe der Mietsache an den Mieter durch die mietrechtlichen Spezialregelungen der §§ 535 ff. BGB verdrängt werden. Somit ist auf § 536 Abs. 1 BGB abzustellen. Danach ist der Mieter unter anderem zur Mietminderung berechtigt, wenn während der Mietzeit ein Mangel der Mietsache entsteht, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt.
Bei Gewerberaummietverträgen stellt sich somit die Frage, ob es einen Mangel der Mietsache darstellt, wenn die zuständige Behörde – in NRW sind dies beispielsweise nach § 3 ZVO-IfSG (Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz, NRW) die Städte und Gemeinden als örtliche Ordnungsbehörden – gem. § 28 Abs. 1 IfSG Schutzmaßnahmen trifft und den Betrieb der Einrichtung oder das Betreten des Gebiets, in dem sich die Räumlichkeiten befinden, untersagt. Ein Mangel gem. § 536 Abs. 1 BGB liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei jeder für den Mieter nachteiligen Abweichung des tatsächlichen Zustands von dem vertraglich geschuldeten Zustand vor, wobei sowohl tatsächliche als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Mangel in Betracht kommen.
Öffentlich-rechtliche Beschränkungen können einen Sachmangel darstellen, wenn sie sich auf die Benutzbarkeit der Mietsache beziehen und zwar konkret auf die Mietsache und nicht auf die Person des Mieters. Im Gegensatz dazu stehen dem Mieter nach § 537 Abs. 1 BGB keine Mängelansprüche zu, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Maßgeblich für die Einordnung einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkung oder -untersagung ist somit, ob die Anordnung der zuständigen Behörde auf einer objektbezogenen Gegebenheit oder auf personen- oder betriebsbezogenen Umständen des Mieters beruht, welche in dessen Risikobereich fallen. Objektbezogene Genehmigungsvoraussetzungen sind solche Gegebenheiten, die gerade auf der Lage oder der Beschaffenheit der Mietsache beruhen, wie zum Beispiel bauliche Mängel oder die Nichteinhaltung brandschutzrechtlicher Erfordernisse.
Verwendungsrisiko der Mietsache liegt grundsätzlich beim Mieter
Da für die Geltung eines behördlich angeordneten Betriebsverbots die baulichen Gegebenheiten der betroffenen Gebäude oder Gebäudeteile unerheblich sind, bezieht sich die Betriebsuntersagung in der Regel nur auf die Nutzungsart und stellt damit keine objektbezogene Gebrauchsbeschränkung dar, für die der Vermieter verantwortlich ist. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach festgestellt, dass im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache zu tragen hat.
Erst recht zählt die Infizierung mit einem Virus und in Folge dessen verhängte Quarantäneanordnung zu Lasten des Mieters oder seiner Mitarbeiter zum allgemeinen Lebensrisiko und ist von jedem, auch dem Mieter, zu tragen und darf nicht über die Annahme eines Mangels auf den Vermieter verschoben werden. Solange der Vermieter die Mietsache im geschuldeten Umfang zur Verfügung stellt, ist der Mieter, wenn er die Räumlichkeiten aufgrund einer seinen Geschäftsbetrieb treffenden Anordnung rechtlich oder bei einer Quarantäneanordnung gegen seine Mitarbeiter faktisch nicht nutzen kann, qua Gesetz nicht zur Zahlung einer geminderten Miete berechtigt.
Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB?
Denkbar ist allenfalls, dass in der aktuellen Situation eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vorliegt, die dem Mieter einen Anspruch entweder auf Vertragsanpassung oder, wenn dies nicht zu einem interessengerechten Ergebnis führt, sogar auf Vertrags Beendigung einräumt. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben.
Die Corona-Pandemie und die aus diesem Grunde behördlich angeordneten Einschränkungen könnten eine solche unvorhersehbare schwerwiegende Veränderung der Grundlage des Vertrages darstellen, da anzunehmen ist, dass zumindest eine der Vertragsparteien (in der Regel der Mieter) bei Kenntnis der Veränderung den Mietvertrag nur mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte. Ein Anspruch nach § 313 Abs. 1 BGB auf Vertragsanpassung besteht jedoch nur dann, wenn die Störung nicht bereits in den alleinigen Risikobereich der Vertragspartei fällt, welche sich auf die Störung beruft. Wie zuvor dargestellt, legt die gesetzliche Risikoverteilung beim Gewerberaummietvertrag das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache dem Mieter auf. Zudem hat jeder, der am Rechtsverkehr teilnimmt, das allgemeine Lebensrisiko zu tragen.
Es stellt sich jedoch vor dem Hintergrund der aktuell herrschenden Ausnahmesituation die Frage, ob nicht eine Änderung der gesetzlich vorgesehenen Risikoverteilung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben anzunehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebietet der Grundsatz der Vertragstreue, vom Vertrag nur dann abzugehen, wenn eine derartig grundlegende Änderung der maßgeblichen Umstände vorliegt, dass ein weiteres Festhalten an der ursprünglichen Vertragsregelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde.
Für eine Abkehr vom gesetzlichen Leitbild spricht, dass die Betriebseinschränkungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, für viele Mieter eine Existenzbedrohung darstellen und nicht mit dem alltäglichen Gewinn- und Verlustrisiko eines Unternehmers zu vergleichen sind. Solche Einschränkungen, wie sie das öffentliche Leben derzeit erfährt gab es, in der Bundesrepublik bis dato noch nie. Dennoch ist es eine Frage des Einzelfalls und damit abhängig von den jeweiligen konkreten Umständen und vertraglichen Regelungen, ob diese tatsächlich jeweils zu derartigen untragbaren Ergebnissen führen. Jedenfalls kommt ein derartiger Anspruch auf Anpassung des Vertrags grundsätzlich in Betracht. Zwar sind die Rechtsnormen des Billigkeitsrechts wie §§ 313, 242 BGB gerade für Ausnahmesituationen geschaffen, sind daher aber andererseits auch nur sehr eingeschränkt anwendbar und deren Voraussetzungen haben sehr hohe Anforderungen. Gegen einen solchen Anspruch könnte beispielsweise im Einzelfall sprechen, wenn der Mietvertrag beispielsweise zumindest mittelbar Regelungen zur Risikoverteilung enthält (solche könnten u.U. auch in der Vereinbarung einer Umsatzmiete mit Mindestmiete gesehen werden, da die Parteien hier ja für den Fall des Unterschreitens einer bestimmten Umsatzschwelle vereinbart haben, dass der Mieter zumindest eine bestimmte Mindestmiete zu zahlen hat).
Inhalt eines etwaigen Anspruchs auf Vertragsanpassung
Hält man die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach §§ 313, 242 BGB für einschlägig – wofür aus unserer Sicht jedenfalls im Grundsatz gute Gründe angeführt werden können –, ist aber immer noch nicht klar, welchen Inhalt der Anspruch des Mieters auf Vertragsanpassung haben kann. Insoweit kommen verschiedene Alternativen in Betracht.
Zunächst wäre an eine Abhängigkeit von einer zeitlichen Komponente zu denken, sodass eine Reduzierung der Mietzahlungspflicht nicht bereits mit dem ersten Tage der Wirkung der Betriebsuntersagung, sondern erst nach Ablauf eines gewissen „Toleranzzeitraums“ möglich wäre. Dafür würde sprechen, dass, wie vorstehend dargelegt, nach dem Gesetz das Verwendungsrisiko zunächst beim Mieter liegt und der Mieter daher die sich daraus ergebenden Risiken zumindest bis zum Erreichen einer gewissen Risikoschwelle zu tragen haben könnte. Sicher fiele die konkrete Bestimmung eines solchen Zeitraums jedoch sehr schwer. Zudem erscheint eine zumutbare Lösung durch Durchbrechung der gesetzlichen Risikoverteilung allein in Form eines Toleranzzeitraums nur schwer möglich. Sofern ein Toleranzzeitraum daher überhaupt in Betracht kommt, müsste dieser wohl zusätzlich mit den nachgenannten Argumenten kombiniert werden.
Beruft sich ein Mieter auf eine Anpassung aufgrund Störung der Geschäftsgrundlage und hält dies einer rechtlichen Überprüfung dem Grunde nach stand, wird Anspruchsinhalt nur eine Anpassung der Mietzahlungsverpflichtung (entweder sofort oder nach Ablauf eines Toleranz Zeitraums) zum Inhalt haben. Nach unserer Einschätzung muss bei der Festlegung der Höhe einer Reduzierung der zu zahlenden Miete weiterhin die ursprüngliche Risikoverteilung berücksichtigt werden. Ferner ist in der Abwägung der wechselseitigen Interessen zu bedenken, dass auch der Vermieter in einer solchen außergewöhnlichen Situation schutzbedürftig ist. Denn stellt der Mieter seine Mietzahlungen ein, fehlt dem Vermieter der Mietertrag. Dadurch wird ihm die Grundlage genommen, etwaige Darlehensverpflichtungen aus Fremdkapital- und/oder Mezzanine-Finanzierungen zu bedienen, weiter laufende Bewirtschaftungskosten zu leisten oder Ausschüttungen an Gesellschafter etc. vorzunehmen. Ein Anspruch auf Anpassung der Miete kann daher – auch wenn der Betrieb des Mieters in der Mietsache vollständig ausgeschlossen wäre - nicht zum vollständigen Entfall der Mietzahlungsverpflichtung führen. Vielmehr erscheint aus unserer Sicht eine Reduzierung der Mietzahlungspflicht um maximal 50 %, möglicherweise aber auch nur um 20 – 30 % sach- und interessengerecht.
Da es hierzu bislang aber keinerlei Entscheidungen gibt, besteht für Mieter eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit, sowohl was den Anspruch auf Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage nach §§ 313, 242 BGB dem Grunde nach betrifft als auch die Höhe einer solchen Reduzierung.
Zudem ist zu bedenken, dass sich die zuvor beschriebene Abwägung der wechselseitigen Interessen auch zugunsten des Vermieters wieder ändern könnte, wenn der Gesetzgeber in den nächsten Wochen und Monaten besondere Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der Mieter beschließen sollte. So hat sich beispielsweise der Bundesfinanzminister in öffentlichen Fernsehauftritten zuletzt mehrfach dahingehend geäußert, dass auch für Gewerbemieter finanzielle Unterstützungen geplant sind, die es diesen ermöglichen sollen, ihre Mietzahlungsverpflichtungen trotz Betriebsschließung zu erfüllen. Werden solche Unterstützungen beschlossen, ist für die Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage sicher kein Raum mehr. Gleiches dürfte gelten, wenn der Gesetzgeber in den derzeit in Vorbereitung befindlichen Gesetzesvorhaben Regelungen zum Kündigungsschutz des Mieters bei Zahlungsverzug beschließt. Denn damit würde er manifestieren, dass er vom Grundsatz her vom Fortbestand der Mietzahlungspflicht des Mieters ausgeht, auch wenn sich die neuen Gesetzesregelungen nicht nur auf die hier erörterten Sonderfälle beziehen, sondern auf alle Mietverhältnisse.
Fazit
Gibt es in Gewerbemietverträgen keine Sonderregelungen, die auch eine Überprüfung nach den Vorschriften über die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen standhalten, sind für die Frage der Auswirkung der behördlichen Schließungs-/Untersagungsanordnungen auf die Mietzahlungsverpflichtung des Mieters die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches maßgeblich. Ein Mangel der Mietsache, der den Mieter nach § 536 Abs. 1 BGB zur Mietminderung berechtigen würde, stellen solche allgemeinen Anordnungen nicht dar. Der Mieter hat allenfalls einen Anspruch auf temporäre Reduzierung der Mietzahlungspflicht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß §§ 313, 242 BGB. Ob dieser Anspruch besteht und wenn ja wie hoch eine solche Reduzierung ausfällt, lässt sich nicht abschließend beurteilen und ist möglicherweise auch davon abhängig, welche weiteren Unterstützungsmaßnahmen in finanzieller oder gesetzlicher Form der Gesetzgeber noch ergreifen wird. Sollten Mieter in der aktuellen Situation die Mietzahlung unter Verweis hierauf einstellen, ist dies für sie folglich mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden.
Ungeachtet dieser Sach- und Rechtslage werden vermutlich viele betroffene Einzelhandels- und Gastronomiemieter in der aktuellen Situation aus Liquiditätsgründen ihre Mietzahlungen temporär aussetzen (müssen). Dies dürfte bereits ab dem Monat April häufig der Fall sein. Für den Vermieter stellt sich dann die Frage, wie er hierauf reagieren kann oder muss. Unsere Empfehlung ist, keine unüberlegten Maßnahmen einzuleiten und auch etwaige Vereinbarungen mit Mietern bzw. Angebote an Mieter nur nach vorheriger Beratung zu treffen bzw. zu unterbreiten. Denn entsprechende Vereinbarungen können juristisch und insbesondere auch steuerrechtliche unterschiedliche Implikationen haben. So ist beispielsweise darauf zu achten, dass durch Vereinbarungen zur Stundung der Mietzahlungspflicht steuerlich keine Umqualifizierung der gestundeten Forderung zu einem Darlehen erfolgt, damit ein etwaiger Forderungsausfall steuerlich weiterhin den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen ist. Zudem können sich Abreden mit den Mietern auch insolvenzrechtlich auswirken.
Schließlich lässt sich derzeit noch überhaupt nicht absehen, in welchem Umfang der Gesetzgeber weiter eingreift und unterstützend tätig wird. Angekündigt sind milliardenschwere Hilfspakete. Fast täglich kommen insoweit neue Meldungen. Die Bundesregierung hat wiederholt angekündigt, verschiedene Instrumente zur Stützung der Liquidität von Unternehmen bereitzustellen, die aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Zum Schutz der Gewerbemieter gibt es Überlegungen, neben den vorerwähnten finanziellen Hilfen für die Mietzahlung das Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs einzuschränken bzw. auszusetzen. Ausweislich der von der Bunderegierung am Abend des 20. März 2020 veröffentlichen „Formulierungshilfe“ zu der geplanten Gesetzesinitiative soll dies zunächst für Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2020 gelten. In dieser Presseveröffentlichung wird zugleich ausgeführt, dass die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete im Gegenzug im Grundsatz bestehen bleibt. Der entsprechende Entwurf des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ soll bereits in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden, wobei Änderungen der bisherigen Entwurfsfassung noch diskutiert werden. Wichtig ist somit, die aktuelle Entwicklung stetig weiter zu verfolgen.