Das deutsche Lieferkettengesetz im Lichte der zukünftigen Europäischen Richtlinie

Berlin, 23.03.2022

LieferkettenIn unserer globalisierten und vernetzten Welt sind viele Unternehmen längst nicht mehr auf einen nationalen Kontext beschränkt. Ihr Handeln hat grenzüberschreitende Auswirkungen. Entsprechend weit soll (nun) auch die Verantwortung reichen. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (kurz „Lieferkettengesetz“, LkSG) zielt laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf die Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten festlegt. Die Anforderungen sind international angelegt; sie orientieren sich am Sorgfaltsstandard („due diligence standard“) der Leitprinzipien der Vereinten Nationen.

Bereits im letzten Jahr haben wir in einem Legal Update die wichtigsten Eckpunkte des Regierungsentwurfs zum Lieferkettengesetz sowie die konkreten Auswirkungen auf Unternehmen und was diese mit Einführung des Gesetzes zu erwarten haben skizziert.

Das Legal Update aus 2021 können Sie hier abrufen:
210406_Legal Update_Lieferkettengesetz.pdf (goerg.de)

Mittlerweile ist das Lieferkettengesetz am 22.07.2021 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es wird am 01.01.2023 in Kraft treten.

Das Gesetz können Sie hier abrufen:
Bundesgesetzblatt (bgbl.de)

1. Welche Unternehmen sind betroffen?

Wie bereits ausgeführt: Es fallen alle Unternehmen mit Sitz im Inland und mindestens 3.000 Mitarbeitern in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes. Auch Leiharbeiter sind bei der Bestimmung der Mitarbeiterzahl zu berücksichtigen, wenn ihre Einsatzdauer sechs Monate übersteigt.

Neu in die finale Fassung des LkSG aufgenommen ist, dass das Gesetz auch Unternehmen betrifft, die lediglich eine Zweigniederlassung im Inland haben, wenn sie mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen.

Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Mitarbeiter.

2. Was ist bei einem Verstoß zu befürchten?

Verstöße können mit Bußgeldern von bis zu 800.000,00 Euro oder mit bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes geahndet werden, wenn das Unternehmen einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 400 Millionen Euro hat. Außerdem können betroffene Unternehmen von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen bis zu drei Jahre ausgeschlossen werden.

Bei den sich aus dem Gesetz ergebenden Pflichten handelt es sich laut BMAS um sog. Bemühenspflichten, nicht um Erfolgspflichten oder eine Garantiehaftung. Das heißt, dass eine Verletzung menschenrechts- oder umweltbezogener Pflichten allein noch keinen Verstoß gegen Bemühungspflichten darstellt. Entscheidend ist, ob der Regelungsadressat in angemessenem Umfang Vorkehrungen getroffen hat, um die Verletzung zu verhindern. Umgekehrt kann natürlich auch ein Verstoß gegen die Bemühenspflichten vorliegen, obwohl eine Verletzung von Rechtsgütern ausbleibt, wenn das Unternehmen keine ausreichenden Vorkehrungen trifft.

3. Aktuell: Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Lieferketten-Richtlinie

Auch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen zur Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Regelungen zum Menschenrechts- und Umweltschutz in der Lieferkette. Die Europäische Kommission hat am 23. Februar 2022 einen Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie veröffentlicht, der Directive of the European Parliament and of the Council on Corporate Sustainability Due Diligence and amending Directive (EU) 2019/1937.
Im Folgenden werden die wesentlichen Eckpunkte dieses Richtlinienvorschlags dargestellt und insbesondere aufgezeigt, an welchen Stellen diese Richtlinie vom deutschen Lieferkettengesetz abweicht und welche Implikationen sie für das deutsche Gesetz haben könnte.

Denn - der Vorschlag der Europäischen Kommission deckt sich zwar zum großen Teil mit dem Lieferkettengesetz, geht aber an anderen weit darüber hinaus.

a. Welche Unternehmen sind betroffen?

Im Gegensatz zu den im Vergleich großzügigen Zahlen des deutschen Lieferkettengesetzes, gelten die Sorgfaltspflichten aus dem Richtlinienvorschlag bereits für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro.

Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn sie in den Hochrisikosektoren Textil, Agrar und Rohstoffe tätig sind.

Leiharbeiter werden auch hier bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl berücksichtigt. Während sich im deutschen Lieferkettengesetz jedoch noch die zusätzliche Anforderung findet, dass diese mindestens sechs Monate im betreffenden Unternehmen eingesetzt sein müssen, gibt es eine solche Mindestdauer für Leiharbeiter im Richtlinienvorschlag nicht.

b. Weitere Unterschiede und weitere Gemeinsamkeiten

  • Der Richtlinienvorschlag macht keinen Unterschied zwischen mittelbaren und unmittelbaren Zulieferern. Hier ist lediglich die Rede von „value chain operations carried out by entities with whom the company has an established business relationship“. Dabei wird klargestellt, dass eine “established business relationship” sowohl mittelbare als auch unmittelbare Geschäftsbeziehungen umfasst¹,  Art. 3 lit. (f). Maßgeblich ist hier vielmehr, dass der Zulieferer in der Gesamtschau der Lieferkette keine nur untergeordnete Rolle spielt.
  • In der Richtlinie gibt es auch keine solche extensive Auflistung von Verboten, welche die Menschenrechte und die Umwelt betreffen, wie im deutschen Lieferkettengesetz, sondern lediglich eine allgemeine Beschreibung und den Verweis auf international geltende Standards, Art. 3 lit. (b) und (c)
  • Dagegen ähneln sich die Maßnahmenlisten aus dem Richtlinienvorschlag und dem Lieferkettengesetz. Sie verfügen etwa beide über die Einrichtung eines Risikomanagements (Due Diligence) sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen.
  • Der Vorschlag der Europäischen Kommission enthält überdies mit Artikel 15 einen gesonderten Absatz zum Klimawandel. Demnach sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Geschäftsmodell und Strategie der betreffenden Unternehmen im Einklang sind mit dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu beschränken. Eine entsprechende Klausel gibt es im deutschen Lieferkettengesetz (noch) nicht.
  • Im Richtlinienvorschlag findet sich außerdem in Artikel 22 die Aussage, dass Mitgliedstaaten die zivilrechtliche Haftung der betreffenden Unternehmen im Falle eines Verstoßes sicherstellen sollen. Damit könnten etwa deutsche Unternehmen in Deutschland für Brände in Textilfabriken in Bangladesch haftbar gemacht werden, wenn sie von dort Ware beziehen. Im deutschen Lieferkettengesetz steht dagegen im § 3 Abs. 3 LkSG ausdrücklich, dass eine Verletzung der Pflichten aus Lieferkettengesetz keine zivilrechtliche Haftung begründen.

4. Auswirkungen des Vorschlags der Kommission auf das deutsche Lieferkettengesetz

Das deutsche Lieferkettengesetz kann zunächst planmäßig Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Sobald die EU jedoch die entsprechende Richtlinie verabschiedet, müsste der Inhalt des Lieferkettengesetzes angepasst werden. Das BMAS schreibt auf seiner Internetseite zum Lieferkettengesetz, dass es an eine künftige europäische Regelung angepasst werden soll, damit keine Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen entstehen. Europäische Richtlinien sind ohnehin von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Laut Art. 30 des Richtlinienvorschlags sind die in ihr enthaltenen Maßnahmen innerhalb von zwei Jahren (ab Inkrafttreten der Richtlinie) von den Mitgliedstaaten umzusetzen.

5. Handlungsempfehlung

Große Unternehmen, die in den Anwendungsbereich nach deutschem Lieferkettengesetz, aber auch solche, die in den deutlich größeren Anwendungsbereich des Europäischen Richtlinienvorschlags fallen, sollten rechtzeitig damit beginnen, die erforderlichen Compliance-Maßnahmen umzusetzen, um die Vorgaben – auch die europäischen engeren – einhalten zu können, sobald das Lieferkettengesetz in Kraft tritt und auch die Europäische Richtlinie in der Zukunft. 

Da Unternehmen alles tun müssen, um Verstöße zu vermeiden, heißt dies als ultima ratio auch der Verzicht auf bestimmte Zulieferer. Ein solcher Schritt hat drastische Auswirkungen, wenn er ohne genügend Vorlauf erfolgen muss. Es ist daher ratsam, einem möglichen Verstoß gegen das Lieferkettengesetz und die zukünftige Europäische Richtlinie zuvor zu kommen und schon jetzt die Geschäftsbeziehungen im Lichte der Regelungen zu überprüfen, um eine „saubere“ Lieferkette zu gewährleisten.

Der Anwendungsbereich des deutschen Lieferkettengesetzes mag zunächst mit seiner Geltung für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern nicht groß erscheinen – allerdings ändert sich bereits ab 2024. Dann fallen auch Unternehmen mit 1.000 Arbeitnehmern darunter. Dazu zählen auch ins Ausland entsandte Arbeitnehmer genauso wie Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Unter-nehmen (§ 15 AktG) der Obergesellschaft gem. § 1 Abs. 3 LkSG. Für die Lieferkette eines vom LkSG erfassten Unternehmens zählen bei einem bestimmenden Einfluss die konzernangehörigen Unternehmen zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft nach § 2 Abs. 6 S. 3 LkSG. Spätestens ab 2024 wird damit ein wesentlicher Teil der großen, und über die Konzernzugehörigkeit auch mittelbar der kleineren, in Deutschland ansässigen Unter-nehmen vom Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes erfasst. Ebenso erfasst werden kleinere und mittelgroße Unternehmen der Zuliefererindustrie, da die Unternehmen, die beliefert werden, verlangen können, dass die Zulieferer selbst eine „saubere“ Lieferkette vorweisen können (trickle-down-Effekt)².

6. Fazit

Obgleich das Lieferkettengesetz noch nicht in Kraft ist und es für den Erlass einer Europäischen Richtlinie noch der Zustimmung durch das Europäische Parlament sowie des Ministerrates bedarf, besteht kein Zweifel daran, dass verschärfte Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards auf eine Großzahl von Unternehmen zukommen werden. Ab Inkrafttreten der Europäischen Richtlinie hat Deutschland zwei Jahre Zeit, sein Lieferkettengesetz entsprechend zu verschärfen.

 

(1) established business relationship’” means a business relationship, whether direct or indirect, which is, or which is expected to be lasting, in view of its intensity or duration and which does not represent a negligible or merely ancillary part of the value chain”.

(2) Wagner/Ruttloff: Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz – Eine erste Einordnung, NJW 2021, 2145

 

Autoren: Dr. Liane Thau und Inga Gerson

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