[Berlin, ] Am 30. März 2017 findet vor dem Europäischen Gerichtshof die mündliche Verhandlung über ein Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Frankfurt a. Main statt. Es geht um die Vereinbarkeit von Internetplattformvertriebsverboten mit europäischem und deutschem Kartellrecht. Das betrifft die weit verbreitete Praxis von Markenherstellern, im Rahmen eines Selektivvertriebs den Verkauf im Internet durch das Verbot des Vertriebs ihrer Ware auf eBay und AMAZON zu beschränken.
Der Ausgangsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. Main wird zwischen der Coty Deutschland GmbH und der Parfümerie Akzente GmbH geführt. Dabei wird die Parfümerie Akzente GmbH von GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten vertreten (federführend RA Dr. Oliver Spieker / Partner, RA Michael Alber / Assoziierter Partner). Die Coty Deutschland GmbH ist als Teil des weltweit agierenden Kosmetikkonzerns der Coty-Unternehmensgruppe für den Vertrieb der zahlreichen Coty-Markenprodukte – insbesondere Markenparfüms – auf dem deutschen Markt verantwortlich. Den Vertrieb eines beachtlichen Teils der weltweiten bekannten Coty-Markenprodukte – u. a. „Davidoff, Jil Sander oder Calvin Klein“ – organisiert die Coty Deutschland GmbH ausschließlich über ein sogenanntes selektives Vertriebssystem, in dem die angeschlossenen Einzel- und Großhändler zur Einhaltung zahlreicher Regelungen und Vorgaben insbesondere hinsichtlich ihrer Vertriebsmodalitäten verpflichtet werden. Zu diesen Regelungen gehört das pauschale Verbot, die betroffenen Markenprodukte im Internet über die Handelsplattformen Dritter anzubieten, soweit die jeweiligen Plattformbetreiber für die Verbraucher nach Außen erkennbar werden. Auf diese Weise werden von dem Verbot alle aktuell auf dem Markt relevanten Internethandelsplattformen – insbesondere eBay und Amazon – erfasst. Nach Angaben der Coty Deutschland GmbH soll dieses Verbot insbesondere den Prestigecharakter der betroffenen Markenprodukte vor dem vermeintlich schädlichen Einfluss der großen Internethandelsplattformen schützen. Tatsächlich dürfte es der Coty Deutschland GmbH aber vor allem um die Verhinderung eines allzu zu großen Preiswettbewerbs gehen, für den das Internet und dort vor allem eBay und AMAZON stehen, ohne die der Händler erhebliche Eigenkosten in den Aufbau einer eigenen Internetseite und deren Bewerbung stecken müsste.
Die Parfümerie Akzente GmbH betreibt eine der größten Parfümerieketten mit 26 stationären Ladengeschäften. Parallel vertreibt die Parfümerie Akzente GmbH ihr Warensortiment – darunter auch die Coty-Markenprodukte – im Internet über ihren Onlineshop parfumdreams.de. Ergänzend zum firmeneigenen Webshop findet der Verkauf auch über einen eigenen AMAZON-Webshop statt.
Die Coty Deutschland GmbH hat die Parfümerie Akzente GmbH zunächst vor dem Landgericht Frankfurt a. Main (Az. 2-03 O 128/13) unter anderem auf Unterlassung des Vertriebs der Coty-Markenprodukte über den AMAZON-Shop der Parfümerie Akzente GmbH in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 31.07.2014 hat das Landgericht Frankfurt a. Main die Klage der Coty Deutschland GmbH abgewiesen. Die verfahrensgegenständliche Klausel, mit der der Vertrieb der Coty-Markenprodukte über Internethandelsplattformen Dritter untersagt werden sollte, verstoße gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV und sei somit nichtig. Insbesondere dem Versuch einer Rechtfertigung des Vertriebsverbots mit Gründen des Prestigeschutzes hat das Landgericht Frankfurt am Main eine deutliche Absage erteilt. Darüber hinaus handele es sich bei dem Verbot um eine Kernbeschränkung i. S. der Vertikal-GVO 2010, so dass eine Gruppenfreistellung des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens nicht in Frage komme.
Auf die Berufung der Coty Deutschland GmbH hin hat das Oberlandesgericht Frankfurt a. Main wegen des europarechtlichen Bezugs der streitentscheidenden Rechtsfragen nunmehr den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Vorabentscheidung ersucht. Der EuGH soll gemäß dem Ersuchen des OLG Frankfurt a. Main insbesondere die Frage beantworten, ob pauschale Plattformvertriebsverbote überhaupt – im kartellrechtlichen Sinne – „erforderlich“ sein können oder ob sie stets als wettbewerbsbeschränkend i. S. d. Art. 101 AEUV anzusehen sind. Darüber hinaus geht es darum, ob das Verbot der Nutzung von Internethandelsplattformen Dritter eine Beschränkung der Kunden der betroffenen Händler und somit eine nicht ausnahmsweise freistellungsfähige Wettbewerbsbeschränkung darstellt.
„Sollte der EuGH zu dem Ergebnis gelangen, dass derartige Plattformvertriebsverbote im Widerspruch zu den Vorgaben des europäischen Kartellrechts stehen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf den Handel mit Verbraucherprodukten in einer Vielzahl von Produktsegmenten. Gerade in den Bereichen Parfümerie- und Kosmetikwaren, Verbraucherelektronik, Schmuck oder Bekleidung bedient sich auch heute noch eine beachtliche Zahl von Herstellern vergleichbarer Vertriebsbeschränkungen. Diese wären im Lichte einer solchen Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts jedenfalls in der aktuellen Form nicht mehr aufrechtzuerhalten.“, so Rechtsanwalt Dr. Oliver Spieker (GÖRG), der das Verfahren federführend mit seinem Team betreut. Für Kai Renchen, Geschäftsführer der Parfümerie Akzente GmbH und Gründer von parfumdreams.de, kann die anstehende Entscheidung des EuGH nicht nur erhebliche Vorteile für Verbraucher mit sich bringen, sondern auch die Definition klarer Rahmenbedingungen für den eCommerce unterstützen: „Wir sagen dem Verbraucher nicht, wo er die Ware finden soll – er soll sie dort finden können, wo er sie sucht. In welchem Rahmen Onlinehändler dabei agieren dürfen, muss einmal grundsätzlich geklärt werden.“
GÖRG ist schon seit mehreren Jahren für eine Vielzahl von Mandanten regelmäßig in außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit selektiven Vertriebsvereinbarungen und Vertriebssystemen sowohl auf Händler- als auch auf Herstellerseite tätig. Insbesondere Herr Dr. Oliver Spieker und Herr Michael Alber beraten darüber hinaus regelmäßig Unternehmen schon bei der rechtlichen Ausgestaltung selektiver Vertriebssysteme.
Prozessvertreter Parfümerie Akzente GmbH
GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Berlin
Dr. Oliver Spieker, Partner
Michael Alber, Assoziierter Partner
Prozessvertreter Coty Deutschland GmbH
Lubberger Lehment Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Dr. Andreas Lubberger, Partner