Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber nicht genommenen Urlaub abgelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Angesichts der neueren Rechtsprechung zu Hinweispflichten des Arbeitgebers als Voraussetzung für Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen fürchteten Arbeitgeber, bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zeitlich unbegrenzt Urlaubsabgeltungsansprüchen ausgesetzt zu sein. Einer zeitlich unbegrenzten Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen hat das Bundesarbeitsgericht jedoch in zwei aktuellen Urteilen eine Absage erteilt (vgl. BAG 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20, PM Nr. 5/23 und 31. Januar 2023 – 9 AZR 244/20, PM Nr. 6/23).
Kein Verfall und keine Verjährung von Urlaubsansprüchen ohne Hinweis des Arbeitgebers
Im letzten Jahr ist das Bundesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen gefolgt: Kommt der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit nicht nach, so verfällt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers weder mit Ablauf des Urlaubsjahres noch beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Will der Arbeitgeber die jahrelange Anhäufung von Urlaubsansprüchen vermeiden, so hat er die Arbeitnehmer individualisiert und rechtzeitig über ihren konkreten Urlaubsanspruch zu informieren und unter Hinweis auf den anderweitigen Verfall aufzufordern, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Einzelheiten hierzu können Sie unseren Beiträgen „EuGH: Urlaubsansprüche verjähren nicht mehr ohne weiteres“ sowie „Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen – BAG folgt EuGH und verneint beides, wenn der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachkommt“ entnehmen.
Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs auch ohne Hinweis des Arbeitgebers
Die aktuellen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts lassen Arbeitgeber zumindest im Hinblick auf Urlaubsabgeltungsansprüche aufatmen. Denn die Hinweisobliegenheit betreffend den Urlaubsanspruch ist laut Bundesarbeitsgericht nicht auf den Urlaubsabgeltungsanspruch zu übertragen. Folglich beginnt die dreijährige Verjährungsfrist unabhängig von der Erfüllung der Hinweisobliegenheit mit Ende des Kalenderjahres, in dem das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt eine Zäsur dar. Im Gegensatz zum Urlaubsanspruch handelt es sich bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch nicht um einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht, sondern vielmehr um einen bloßen finanziellen Kompensationsanspruch. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der Europäische Gerichtshof die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub und damit die Hinweispflicht des Arbeitgebers ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Folglich laufen Arbeitgeber also nicht Gefahr, nach mehr als drei Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, wegen Abgeltungsansprüchen für über Jahre angesammelten Urlaub in Anspruch genommen zu werden.
Übertragung auf tarifliche Ausschlussfristen
Das Bundesarbeitsgericht überträgt vorstehende Überlegungen auch auf tarifliche Ausschlussfristen. Auf Grund der fehlenden Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs soll der Lauf der tariflichen Ausschlussfrist ebenfalls unabhängig von der Erfüllung der Hinweisobliegenheit beginnen. Auch wenn sich das Bundesarbeitsgericht nicht zu individualarbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen geäußert hat, dürften die Überlegungen des Bundesarbeitsgerichts wegen vergleichbarer Interessenlage auch auf diese zu übertragen sein. Insoweit empfiehlt es sich, Vorhandensein und Wirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen sicherzustellen.
Praxishinweise
Sehen sich Arbeitgeber mit Urlaubsabgeltungsansprüchen aus bereits beendeten Arbeitsverhältnissen konfrontiert, sollte sorgfältig überprüft werden, ob diese nicht bereits verfallen oder verjährt sind, wobei die Erfüllung der Hinweisobliegenheit in diesem Zusammenhang dahinstehen kann. Um jedoch den Umfang von Urlaubsansprüchen bzw. rechtzeitig geltend gemachten Urlaubsabgeltungsansprüchen möglichst gering zu halten, ist Arbeitgebern dennoch dringend geraten, ihrer Hinweisobliegenheit betreffend den Verfall von Urlaubsansprüchen zu genügen.