Eine außerordentliche Kündigung kann gem. § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der zur Kündigung berechtigenden Tatsachen ausgesprochen werden.
Entscheidung
Mit einem überraschenden Urteil entschied das Landesarbeitsgericht Köln Ende letzten Jahres nun jedoch, dass eine außerordentliche Kündigung mit im Kündigungsschutzprozess nachgeschobenem Kündigungsgrund auch dann wirksam sei, wenn die Kündigungserklärung die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist nicht gewahrt habe (LAG Köln 16.10.2019 – 5 Sa 221/19).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt kündigte die Arbeitgeberin den als Schulleiter beschäftigten Arbeitnehmer außerordentlich. Welcher Sachverhalt die Arbeitgeberin zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bewegte, ließ sich nicht aufklären. Während des Kündigungsschutzprozesses berief sich die Arbeitgeberin auf eigenmächtige Änderungen von Zeugnisnoten ohne die vorgeschriebene Durchführung einer Zeugniskonferenz. Von den unzulässigen Zeugnisnotenänderungen erlangte die kündigungsberechtigte Geschäftsführerin jedoch erst nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung Kenntnis.
Das Landesarbeitsgericht sah in der unzulässigen Zeugnisnotenänderung eine schwerwiegende, zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung. Unschädlich sei, dass die Arbeitgeberin erst nach Ausspruch der Kündigung von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt habe. Ausreichend sei vielmehr, dass der nachgeschobene Kündigungsgrund objektiv bereits zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorgelegen habe. Darauf, ob die ursprünglich auf einen anderen Kündigungsgrund gestützte Kündigung innerhalb der zweiwöchigen gesetzlichen Ausschlussfrist erfolgt sei, käme es dann nicht mehr an.
Praxisrelevanz
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Zwar findet auch nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB keine Anwendung auf nachgeschobene Kündigungsgründe, die bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorlagen, aber erst nachträglich bekannt geworden sind (z.B. BAG 6.9.2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636). Allerdings soll laut Bundesarbeitsgericht ein Nachschieben von Kündigungsgründen nur zulässig sein, wenn die (nicht durchgreifenden) Gründe, die den Arbeitgeber ursprünglich zu dem Ausspruch der Kündigung motiviert haben, nicht verfristet waren, d. h. die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des ursprünglichen Kündigungssachverhalts ausgesprochen worden ist. Ist die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist gewahrt, können weitere Kündigungsgründe nachgeschoben werden, sofern diese bereits objektiv zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen. Das Bundesarbeitsgericht beruft sich hierbei nicht nur auf den Wortlaut des § 626 Abs. 2 BGB, sondern auch auf Sinn und Zweck dieser Norm. Der Arbeitnehmer soll nach einer Pflichtverletzung schnell – nämlich innerhalb von zwei Wochen – wissen, ob der Arbeitgeber diesen Anlass für den Ausspruch einer Kündigung nutzt oder nicht. So soll vermieden werden, dass der Arbeitnehmer stets eine außerordentliche Kündigung befürchten muss und sich so einer potentiellen Drucksituation ausgesetzt sieht. Eine dem Arbeitnehmer unzumutbare Ungewissheit hinsichtlich des Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses ist hingegen im Falle des Nachschiebens von Kündigungsgründen nicht zu befürchten, da das Arbeitsverhältnis ohnehin bereits beendet worden ist. Eine Notwendigkeit für die Anwendung der Ausschlussfrist auf die nachgeschobenen Kündigungsgründe besteht demnach nicht.
Das Landesarbeitsgericht geht nun noch einen Schritt weiter, indem es im Falle des Nachschiebens von Gründen sogar im Hinblick auf die ursprünglichen Kündigungsgründe die Wahrung der zweiwöchigen gesetzlichen Ausschlussfrist als entbehrlich erachtet. Unter Anwendung der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts würde sich also für Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnen, außerordentliche Kündigungen zunächst ohne wichtigen Grund auszusprechen, in der Hoffnung, dass im Nachgang noch wichtige, zur Kündigung berechtigende Gründe bekannt werden. Wie sich dieses Ergebnis sowohl mit dem Wortlaut des § 626 Abs. 2 BGB als auch mit Sinn und Zweck der dort normierten Ausschlussfrist in Einklang bringen lassen soll, ist im Einzelnen noch klärungsbedürftig. Die Stellungnahme des Bundesarbeitsgerichts im anhängigen Revisionsverfahren bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist aber dringend zu raten, die gesetzliche Ausschlussfrist zu beherzigen und eine außerordentliche Kündigung weiterhin innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des für die Kündigung maßgeblichen Kündigungssachverhalts auszusprechen.