In der Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt unser Partner Dr. Yorick Ruland über die jüngsten rechtlichen Entwicklungen im Bereich Greenwashing.
Ein deutscher Süßwarenhersteller wirbt mit dem Slogan "klimaneutral", doch eine Überprüfung zeigt, dass die Produktion gar nicht CO2-neutral ist. Hier wäre eine Erläuterung der konkreten Bedeutung des verwendeten Begriffs notwendig gewesen. Dieser vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall steht für das Phänomen Greenwashing, bei dem Unternehmen ihre Umweltfreundlichkeit übertreiben, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen.
Die EU will solchen Missbrauch in Zukunft schon im Vorfeld verhindern - mit zwei sich ergänzenden Richtlinien zur nachhaltigkeitsbezogenen Werbung. Die bereits zum Jahresbeginn in Kraft getretene Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (EmpCo-Richtlinie) normiert die Unzulässigkeit allgemeiner Umweltaussagen. Die Green-Claims-Richtlinie soll dagegen möglichst bald konkrete Vorgaben für die Zulässigkeit ausdrücklicher Umweltaussagen machen. Zu Letzterem hat der Rat der Europäischen Union kürzlich seinen Standpunkt verabschiedet. Dieser bildet die Grundlage für Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über die endgültige Fassung, die voraussichtlich in der neuen Legislaturperiode beginnen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt jedoch insbesondere das in der Green-Claims-Richtlinie vorgesehene Zertifizierungsverfahren ab und argumentiert, dass bestehende Wettbewerbsrecht reiche aus, um irreführende Praktiken zu ahnden.
Richtig ist, dass das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) irreführende Werbung verbietet. Die Durchsetzung ist jedoch oft mühsam und langwierig. Zudem müssen Wettbewerber oder Verbraucherverbände tatsächlich aktiv werden, um gegen Verstöße vorzugehen, was in der Praxis nicht immer geschieht. Das umstrittene Zertifizierungsverfahren sieht demgegenüber vor, dass umweltbezogene Werbeaussagen zuerst von einem unabhängigen und zertifizierten Umweltgutachter überprüft werden müssen. Dies kehrt die Beweislast um: Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Aussagen fundiert sind. Das kann eine abschreckende Wirkung haben und Unternehmen dazu bringen, nur noch gut belegte Umweltaussagen zu machen. Zudem sollen die Vorgaben weitgehend mittels eines nationalen Behördenapparates durchgesetzt werden. Es handelt sich daher um einen völlig neuen Regelungsansatz, dessen Durchsetzung nicht auf den Widerstand eines Mitbewerbers oder Verbraucherschutzverbandes angewiesen ist.
Kritisiert wird jedoch, dass die Pläne zu einem erheblichen Bürokratieaufbau führen würden, der überhaupt nicht bewältigt werden könne - sowohl im Hinblick auf den Fachkräftemangel als auch auf die leeren Haushaltskassen. Zudem könnten die aufwendigen Zertifizierungsverfahren zu einer beträchtlichen Kostenbelastung für die Unternehmen führen, sodass sie letztendlich von Nachhaltigkeitsbemühungen Abstand nehmen.
Ungeachtet dieser Kritik ist der Ansatz, Greenwashing auf diese Weise deutlich zu erschweren, zu begrüßen. Verbraucher sollten sicher sein können, dass ein als umweltfreundlich beworbenes Produkt tatsächlich umweltfreundlich ist. Dies gebietet der Verbraucherschutz. Zudem kann nur so der Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft gelingen - also wenn die Unternehmen die notwendigen Nachhaltigkeitsbemühungen entfalten und sich die Verbraucher aufgrund verlässlicher Informationen für ihre Produkte entscheiden. Bei der finalen Ausgestaltung der Richtlinie muss jedoch darauf geachtet werden, dass sie umsetzbar ist und auch die Interessen der Wirtschaftsakteure hinreichend berücksichtigt werden. Eine nicht tragbare Kostenbelastung für Unternehmen kann beispielsweise problemlos durch (schon vorgesehene) Ausnahmeregelungen für kleinere Unternehmen vermieden werden.
Hier finden Sie den Online-Artikel: Die EU nimmt Greenwashing ins Visier (faz.net)