Beweisanzeichen bei der Vorsatzanfechtung

25.02.2014

[Köln, ] Das einen Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis nahelegende Beweisanzeichen der Inkongruenz setzt voraus, dass ernsthafte Zweifel an der Liquiditätslage des Schuldners bestehen. Dass der Schuldner seinem Gläubiger eine sofort bei Bestellung und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährt, reicht für die Annahme einer Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und dessen Kenntnis nicht aus.

BGH, Urteil vom 7. 11. 2013 – IX ZR 248/12 = BeckRS 2013, 19684

Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Im Jahre 1993 erteilte ihm die Schuldnerin eine Pensionszusage über einen Betrag von monatlich EUR 3.067,75. Zur Sicherung dieser Ansprüche verpfändete die Schuldnerin durch Nachtrag vom 29.11.1996 ihr zustehende Versicherungen zugunsten des Klägers. Mit notariellem Vertrag vom 21.01.2008 übertrug der Kläger seine Gesellschaftsanteile auf seinen Sohn sowie einen weiteren Erwerber. Im Rahmen der Anteilsübertragung bestellte die Schuldnerin dem Kläger nach Ablauf der verpfändeten Versicherungen zur Absicherung seiner Rentenansprüche eine Grundschuld in Höhe von EUR 500.000 an ihrem Grundbesitz, die am 09.04.2008 ins Grundbuch eingetragen wurde. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm hinsichtlich der Grundschuld ein Absonderungsrecht zustehe. Die Klage hat Erfolg.

Der beklagte Insolvenzverwalter kann dem Anspruch des Klägers eine Anfechtbarkeit der Sicherheitenbestellung nicht entgegenhalten. Eine Anfechtung nach § 133 I InsO scheidet aus, weil es an einem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin mangelt. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Eine Gesamtwürdigung ist aber dennoch nicht entbehrlich. So kann hier aus der Inkongruenz nicht auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Der Kläger hatte zwar keinen Anspruch auf eine nachträgliche Besicherung, das Beweisanzeichen greift jedoch nicht durch, da im Zeitpunkt der Grundschuldgewährung keine Zweifel an der Liquidität der Schuldnerin bestanden. Verdächtig im Sinne eines Beweisanzeichens wird die Inkongruenz erst dann, wenn bei dem Empfänger ernsthafte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners auftreten, die Gegenmaßnahmen gut informierter und durchsetzungskräftiger Gläubiger auslösen, welche in einer späteren Insolvenz eine Gläubigergleichbehandlung verhindern. Der auslösende Umstand für die Indizwirkung liegt danach in einer ernsthaften Besorgnis bevorstehender Zahlungskürzungen oder -stockungen, weil sich damit die Gefährdung der anderen, nicht ebenso begünstigten Gläubiger aufdrängt. Auch gestattet zwar eine Vereinbarung, die Nachteile für das Schuldnervermögen erst im Insolvenzfall begründet, den Schluss auf einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis hiervon durch den Anfechtungsgegner. Dem Kläger wurde hier jedoch eine sofort gültige Sicherung gewährt, auf die er ungeachtet einer Insolvenz der Schuldnerin zugreifen konnte. Allein der Umstand, dass Sicherungen vor allem bei Zahlungsschwierigkeiten wirtschaftlich bedeutsam werden, begründet nicht die Vermutung, dass eine Gläubigerbenachteiligung gewollt war. Dies kann nur angenommen werden, wenn die Beteiligten den Insolvenzeintritt während der Dauer des Sicherungsgeschäfts konkret für wahrscheinlich hielten. Wirksam begründete Sicherungen gewähren dem Berechtigten in der Insolvenz ein Absonderungsrecht. Bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Anfechtungsrechts ist deshalb Art. 14 I GG zu beachten. Daher können Sicherungsgeschäfte nicht für die Dauer von zehn Jahren gemäß § 133 InsO angefochten werden, soweit es an Beweisanzeichen eines Benachteiligungsvorsatzes fehlt, nur weil sie regelmäßig erst in der Krise wirtschaftlich bedeutsam wer-den. Würde die Vorsatzanfechtung allein deshalb durchgreifen, weil die Sicherung auch für den Insolvenzfall gewährt wurde, wären sämtliche innerhalb der Anfechtungsfrist bestellten Sicherungen ohne weiteres anfechtbar. Folge der damit verbundenen Aushöhlung der Absonderungsrechte wäre, dass die Bereitschaft zur Kreditgewährung mangels anfechtungsfester Sicherungen nachhaltig beeinträchtigt würde. Dies aber entspricht nicht der gesetzgeberischen Intention, Absonderungsrechte zu garantieren.

Praxishinweis

Zu begrüßen ist, dass der BGH angesichts der Kritik an der als zu verwalterfreundlich geltenden Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung die Gelegenheit wahrnimmt, nochmals ausführlich zur Bedeutung der Beweiszeichen Stellung zu nehmen. Hierbei hebt der Senat in Abgrenzung zu früheren Entscheidungen zu Recht hervor, dass auch bei inkongruenten Leistungen ein Benachteiligungsvorsatz nicht gegeben sein kann, wenn im Zeitpunkt der Gewährung keinerlei Zweifel an der Liquidität des Schuldners bestehen.

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