Die Diskussion zu einer neuen Rechtsform für sogenannte Purpose-Unternehmen mit gebundenem Vermögen nimmt weiter an Fahrt auf. Am 10. September 2024 fand im Bundestag ein Symposium mit Vertretern der Regierungsparteien statt, um über die konkrete rechtliche Ausgestaltung einer solchen Rechtsform zu diskutieren. Parallel dazu erschien ein akademischer Gesetzesentwurf einer renommierten akademischen Arbeitsgruppe mit einem detaillierten Vorschlag für eine gesetzliche Regelung. Zudem erarbeitete das Bundesjustizministerium ein bisher unveröffentlichtes Eckpunktepapier. Erst im Juli 2024 hatte die Bundesregierung im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative ausdrücklich bestätigt, eine neue geeignete Rechtsgrundlage für Unternehmen mit gebundenem Vermögen einführen und dem Bundestag zeitnah einen Gesetzesentwurf zur weiteren Beratung vorlegen zu wollen.
1. Ziele der neuen Rechtsform
Welches rechtliche Bedürfnis soll mit der neuen Rechtsform abgedeckt werden? Letztlich geht es darum, die Gestaltungsfreiheit für Unternehmern mit einem „treuhänderischen“ Unternehmensverständnis zu erhöhen, den Fortbestand solcher Unternehmen zu sichern und Unternehmensnachfolgen zu erleichtern. Die Bezeichnungen als Unternehmen mit „gebundenem Vermögen“, „treuhänderisches Unternehmertum“ oder „Verantwortungseigentum“ sind insoweit anschaulich. Im Mittelpunkt soll das verantwortungsbewusste und langfristig orientierte Unternehmertum stehen. In der Einleitung zum akademischen Gesetzentwurf wird das Ziel der Vermögensbindung prägnant wie folgt zusammengefasst:
„Ziel der dauerhaften Vermögensbindung ist die langfristige Entwicklung des selbstständigen Unternehmens und seiner Werte über Generationen hinweg. Die Gesellschafterstellung soll nicht gewinnbringend veräußert, sondern an die nächste Generation aktiver Gesellschafter weitergegeben werden. Damit soll das Unternehmen auch vom Druck durch die Refinanzierung eines Veräußerungspreises befreit und Gewinne überwiegend für die Unternehmensentwicklung erhalten werden.“
Die neue Rechtsform kann insbesondere für Fälle ungeklärter Unternehmensnachfolge eine weitere Option darstellen und den Fortbestand sichern. Im Unterschied zur Stiftung soll dabei die Möglichkeit einer aktiven Unternehmensführung betont werden; insbesondere soll die Gesellschaft nicht durch einen von dem Stifter dauerhaft festgesetzten Stiftungszweck bestimmt werden.
Über die Ziele der neuen Rechtsform besteht weitgehend Einigkeit. Über die konkrete Ausgestaltung hingegen nicht. Während die Stiftung Verantwortungseigentum und der akademische Entwurf eine eigene Rechtsform („Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, kurz „GmgV“) präferieren, bevorzugt das Bundesjustizministerium die Schaffung einer Variante der GmbH.
2. Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen gemäß dem akademischen Gesetzesentwurf
Im Zentrum des akademischen Gesetzesentwurfs stehen zwei zentrale Prinzipien: die Vermögensbindung und das Leitbild des unternehmerisch motivierten, aktiv engagierten „Gesellschafters mit Gesicht“. Diese Prinzipien durchziehen das gesamte Konzept der GmgV und prägen ihre Struktur. Zentrales Element ist dabei die unumkehrbare Vermögensbindung. Das primäre Ziel des unternehmerischen Handelns soll nicht in der Gewinnerzielung liegen; stattdessen sollen unternehmerische, gemeinwohlorientierte und gemeinnützige Zwecke im Vordergrund stehen.
Vor diesem Hintergrund sieht der akademische Gesetzesentwurf folgende Eckpunkte für die Ausgestaltung der GmgV vor:
a. Unternehmensgegenstand und Zweck
Auch wenn die Vermögensbindung deutlich macht, dass die Gewinnerzielung nicht der primäre Zweck der Gesellschaft sein kann, steht die Gewinnerzielung als Mittel zur Förderung des Unternehmenszwecks dem Konzept der GmgV nicht entgegen. Um auch nach außen hin kenntlich zu machen, dass der mit dem Unternehmen verfolgte Zweck primär nicht finanzieller Natur ist, schlägt der Gesetzesentwurf vor, neben dem Unternehmensgegenstand auch den Unternehmenszweck im Gesellschaftsvertrag zu verankern.
Obgleich in der Debatte um die neue Rechtsform sogenannte Purpose-Unternehmen eine bedeutende Rolle spielen, soll die Gesellschaft nach dem Entwurf unternehmensgegenstandsoffen sein.
b. Gesellschafter der Gesellschaft
Aufgrund des fehlenden Gewinnbezugsrechts sind die Gesellschafter der GmgV weniger mit Anteilseignern als mit Mitgliedern einer Genossenschaft oder eines Vereins vergleichbar. Die Mitgliedschaft als Gesellschafter soll daher weder unter Lebenden übertragbar noch vererblich sein. Die Erben haben lediglich einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Erstattung der geleisteten Einlage und sonstiger Zahlungen in das Eigenkapital, sofern diese nicht aufgezehrt sind.
Darüber hinaus soll die GmgV personalistisch geprägt sein. Diese Prägung zeigt sich insbesondere darin, dass sich das Stimmgewicht der Gesellschafter nicht nach ihrem finanziellen Beitrag, sondern nach der Anzahl der Köpfe richtet. Jeder Gesellschafter ist somit gleichwertig und kann den gleichen Einfluss ausüben.
Bestimmungen über den Beitritt neuer Gesellschafter, über den Austritt aus der Gesellschaft sowie über den Ausschluss aus der Gesellschaft sind an vergleichbare Bestimmungen im Genossenschaftsrecht angelehnt.
c. Organisationsverfassung
Bei der GmgV handelt es sich um eine „personalisierte Körperschaft“ mit eigener Rechtspersönlichkeit.
Nach außen soll die GmgV grundsätzlich durch Geschäftsführer vertreten werden, die von den Gesellschaftern gewählt werden. Der Geschäftsführer übernimmt aufgrund seiner Position innerhalb der Gesellschaft erweiterte Pflichten. So haftet er beispielsweise für Pflichtverletzungen, insbesondere auch wenn er entgegen dem Prinzip der Vermögensbindung Auszahlungen an Gesellschafter veranlasst.
Der Entwurf sieht keinen obligatorischen Aufsichtsrat für die GmgV vor. Allerdings haben die Gesellschafter die Möglichkeit, einen fakultativen Aufsichtsrat einzurichten, sofern sie dies als sinnvoll erachten.
Eine Besonderheit ist der jährlich vom Geschäftsführer anzufertigende und von den Gesellschaftern festzustellende Vermögensbindungsbericht. Dieser Bericht soll umfassend über alle relevanten Aspekte der Vermögensbindung innerhalb der Gesellschaft informieren. Nach Beschlussfassung wird der Bericht dann von einem Wirtschaftsprüfer geprüft, welcher im Anschluss einen Prüfbericht erstellt. Aus Transparenzgründen und zur Sicherstellung der Vermögensbindung soll dieser Bericht im Handelsregister veröffentlicht werden.
Als weiteren zentralen Bestandteil der Governance sieht der Gesetzesentwurf ein System von Aufsichtsverbänden vor. Jede GmgV muss Mitglied in einem Aufsichtsverband ihrer Wahl sein, der sich durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Die Aufsichtsverbände kontrollieren die Einhaltung der Vermögensbindung ihrer Mitgliedsgesellschaften. Sobald einem Verband Anhaltspunkte für die Verletzung der Vermögensbindung vorliegen, hat er diesen in einer eigenen Prüfung nachzugehen. Solche Anhaltspunkte können insbesondere aus dem Vermögensbindungsbericht oder dem Prüfbericht des Wirtschaftsprüfers hervorgehen.
Etwaige Überschüsse aus einer Liquidation der Gesellschaft sind auf einen im Gesellschaftsvertrag zu bestimmenden Anfallberechtigten, der einer mindestens gleichwertigen Vermögensbindung unterliegt, auszukehren.
d. Haftungsregime
Hinsichtlich des Haftungsregimes orientiert sich der akademische Gesetzesentwurf im Wesentlichen an den Regelungen zur Haftung von Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft soll nicht nur das Gesellschaftsvermögen, sondern bis zur Höhe der jeweiligen Haftsumme auch jeder Gesellschafter persönlich haften. Die Haftung eines Gesellschafters soll aber ausgeschlossen sein, soweit die vereinbarte Haftsumme als Einlage geleistet wurde. Nach dem akademischen Gesetzesentwurf muss die Haftsumme jedes Gesellschafters mindestens EUR 5.000 betragen.
3. Die Pläne des Bundejustiz-
ministeriums
Demgegenüber bevorzugt das Bundesjustizministerium derzeit die Schaffung einer Variante der GmbH. Die Firmierung entsprechender Gesellschaften soll um den Zusatz „thesaurierend“ ergänzt werden. Das Ministerium distanziert sich hierdurch bewusst von der Bezeichnung „mit gebundenem Vermögen“, denn diese suggeriere Zwecke wie „Nachhaltigkeit“, auf welche die neue Rechtsform jedoch nicht beschränkt wäre.
Die neue Rechtsform soll durch Sondervorschriften im GmbHG geregelt werden. Von diesem minimalinvasiven Vorgehen versprechen sich Vertreter des Ministeriums gegenüber einer legislatorischen Neuschöpfung einer vollständig neuen Rechtsform neben einer weniger aufwendigen Gesetzgebung ein höheres Maß an Rechtssicherheit, das wiederum für die künftigen Verwender den erforderlichen Beratungsaufwand geringhalten soll.
Die Reformpläne des Bundesjustizministeriums liegen derzeit nur als Eckpunktepapier vor. Ein ausgearbeiteter Gesetzesentwurf wurde noch nicht erstellt.
Laut dem Eckpunktepapier sieht das Bundesjustizministerium noch eine Reihe von (rechtlichen) Problemen im Zusammenhang mit der Umsetzung der neuen Rechtsform. Insbesondere könnte nach Auffassung des Ministeriums eine Beschränkung der Umwandlungsmöglichkeiten in eine andere europäische Rechtsform nicht mit der EU-Mobilitätsrichtlinie/Umwandlungsrichtlinie vereinbar sein. Eine umwandlungsrechtliche Öffnung könnte hingegen das Grundprinzip der „unumkehrbaren Vermögensbindung“ entkernen und ggf. die Akzeptanz der neuen Rechtsform verringern. Ein von der Stiftung Verantwortungseigentum veröffentlichtes Thesenpapier vom 13. Juni 2024 kommt indes zu dem Schluss, dass eine Begrenzung der Umwandlungsmöglichkeiten mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
4. Fazit
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, insbesondere ob tatsächlich – wie im Rahmen der Wachstumsinitiative angekündigt – noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht wird. Auch steht noch eine Einbeziehung der Länder in die Diskussion aus.
Einstweilen können jedoch viele Ziele, die mit der neuen Rechtsform erreicht werden sollen, mit den nach derzeitiger Rechtslage zur Verfügung stehenden Gestaltungsmitteln umgesetzt werden. Dabei bieten die etablierten Gesellschaftsformen verschiedene Möglichkeiten, um eine dauerhafte Vermögensbindung zu erzielen. Hervorzuheben ist insbesondere das Veto-Anteil-Modell auf Grundlage der von der Purpose Stiftung veröffentlichen GmbH-Mustersatzung. Diese Mustersatzung sieht einen sog. „Kontrollgesellschafter“ vor, der u.a. die Einhaltung der Purpose-Grundsätze zu überwachen hat.
Weiterer Autor: Alessio Saponaro