Ende August hat die große Koalition eine Verschärfung und Verlängerung der im Jahr 2015 eingeführten Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn gemäß §§ 556 d ff. BGB (sogenannte „Mietpreisbremse“) angekündigt. Hierzu wurden mittlerweile die Entwürfe bekannt gegeben. Ein entsprechender Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn liegt im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vor. Zudem wurde ein Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete als Gesetzesentwurf der Bunderegierung veröffentlicht.
Die Regelungen zur Mietpreisbremse sind durch Erlass von Rechtsverordnungen der Landesregierungen in verschiedenen Teilen Deutschlands in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten zur Anwendung gekommen und haben den Mietenanstieg dort nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin moderat verlangsamt. Da trotzdem eine Verschärfung der Lage an örtlichen Wohnungsmärkten und zahlreiche Überschreitungen der zulässigen Miethöhe zu beobachten seien, werden die Neuregelungen vom Gesetzgeber für notwendig erachtet.
Nachfolgend geben wir einen Überblick über die bestehenden Regelungen der Mietpreisbremse und die geplanten Verschärfungen.
Regelungsüberblick „Mietpreisbremse“
Anwendungsbereich
Die Mietpreisbremse gemäß §§ 556 d ff. BGB gilt für Neuvermietungen von Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten. Nicht von der Mietpreisbremse betroffen sind Mietverhältnisse über Wohnraum, der ab dem 01. Oktober 2014 erstmalig bezugsfertig wurde (Neubau), und Wohnraum, der erstmalig nach einer umfassenden Modernisierung vermietet wird.
Zulässige Miethöhe
Die Miete darf zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen (§ 556d Abs. 1 BGB). War die vom Vormieter geschuldete Miete höher als die nach § 556d Abs. 1 BGB zulässige Miete, so darf der Vermieter auch weiterhin diese höhere Miete fordern. Mieterhöhungen und Mietminderungen des letzten Jahres vor Ende des Vormietverhältnisses bleiben außer Betracht.
Modernisierungsumlage nach § 556e Abs. 2 BGB
Eine Überschreitung der zulässigen Miete ist entsprechend § 559 BGB zulässig, wenn der Vermieter innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn des Mietverhältnisses bestimmte Modernisierungsmaßnahmen nach § 555b BGB vorgenommen hat. Unter weiteren Voraussetzungen kann nach dieser Vorschrift eine Umlage von bis zu 8 % der für die Wohnung aufgewendeten Kosten umgelegt werden.
Rechtsfolge
Zum Nachteil des Mieters von diesen Regelungen abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, soweit die zulässige Miete überschritten wird. Zudem bestehen umfangreiche Auskunftspflichten für den Vermieter.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.07.2019 erläutert, dass durch die derzeitige Ausgestaltung der Mietpreisbremse keine Verletzung der Eigentumsgarantie, der Vertragsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes zu erkennen sei. Auch die Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen entspreche den verfassungsrechtlichen Vorgaben und die Mietenbegrenzungsverordnung des Landes Berlin sei mit der Verfassung vereinbar.
Gesetzentwurf zur ortsüblichen Vergleichsmiete
Änderung Betrachtungszeitraum
Der Betrachtungszeitraum für die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete wird um zwei Jahre verlängert.
Der „Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete“ ändert die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete in § 558 Abs. 2 BGB. Bezugszeitraum für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete werden demnach nicht mehr die letzten vier, sondern die letzten sechs Jahre sein.
„Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten sechs Jahren vereinbart oder […] geändert worden sind.“
Mietspiegel
Die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgt in der Praxis vornehmlich mit Hilfe von sogenannten „qualifizierten Mietspiegeln“. Diese Mietspiegel bieten eine Übersicht, über die üblicherweise gezahlten Mieten für verschiedene Wohnungstypen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit (Alter) und Lage (einfach, mittel, gut). Der Wohnraum kann mit Hilfe einer Tabelle entsprechend kategorisiert und eingeordnet werden und als ortsübliche Vergleichsmiete wird eine ¾ Spanne der sonst erhobenen Mieten ausgewiesen und zugeordnet. Zu der Einordnung in die angegebene Spanne kann wiederum auf fünf Merkmalgruppen in ähnlicher Gewichtung (Bad/WC, Küche, Wohnung, Gebäude, Umfeld) und die dazugehörige Ausstattung als wohnwerterhöhend oder wohnwertmindernd zurückgegriffen werden.
Nach dem alten Betrachtungszeitraum von vier Jahren gerade erstellte, oder sich in der Erstellung befindende Mietspiegel, sollen durch eine Übergangsregelung im EGBGB noch weitere zwei Jahre Verwendung finden dürfen.
Auswirkungen
Eine Änderung des Betrachtungszeitraums hat Auswirkungen auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Mit der Änderung bezweckt die Bundesregierung kurzfristigen Schwankungen des Wohnungsmarktes geringere Auswirkungen zukommen zu lassen. Auch – und vor allem – wird die erweiterte Zeitspanne auf Wohnungsmärkten mit stark steigenden Angebotsmieten zu einem gedämpfteren Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmieten führen. Die Potentiale für eine Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete werden nach Umsetzung der Regelungen daher geringer ausfallen. Trotzdem werde laut der Gesetzesbegründung der Marktbezug beibehalten und erlaube in der Regel ein Mietniveau über dem Durchschnitt aller Bestandsmieten.
Zur Veranschaulichung der Auswirkungen der Verlängerung des Betrachtungszeitraumes von vier auf sechs Jahren hat die Bundesregierung anhand von Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes einige Beispielsrechnungen angestellt. Hiernach bestehen bei einer im Wesentlichen stagnierenden Mietpreisentwicklung naturgemäß auch nur geringe Auswirkungen auf die relevante ortsübliche Vergleichsmiete. Bei einem stark ansteigenden Mietwohnungsmarkt mit einem jährlichen Anstieg der Angebotsmieten um 7,8 % würde die ortsübliche Vergleichsmiete nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes bei einem vierjährigen Betrachtungszeitraum von zehn Jahren (2018-2028) bei EUR 16,32 pro qm/Monat liegen (Ausgangswert: EUR 7,70 pro qm/Monat) und bei einem sechsjährigen Betrachtungszeitraum zur selben Zeit hingegen nur bei EUR 15,21 pro qm/Monat (Ausgangswert: EUR 7,18 pro qm/Monat). Die Differenz zwischen dem vierjährigen und dem sechsjährigen Betrachtungszeitraum läge in diesem Beispielsfall also bei EUR 1,11 qm/Monat, was einer um rd. 6,8% niedrigeren ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht.
Kappungsgrenze
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nicht nur für die Miethöhe bei der Neuvermietung relevant, sondern regelt auch die Möglichkeit der Mieterhöhung in laufenden Mietverhältnissen.
Die ortsübliche Vergleichsmiete spielt in Bezug auf die sogenannte Kappungsgrenze des § 588 BGB die entscheidende Rolle. Eine Mieterhöhung während eines laufenden Mietverhältnisses über Wohnraum kann nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erfolgen. Darüber hinaus muss die Miete seit 15 Monaten unverändert, ein Jahr nach der letzten Erhöhung vergangen und die Miete darf nicht innerhalb von drei Jahren um mehr als 20 % (teilweise durch Rechtsverordnung 15 %) erhöht worden sein.
Referentenentwurf zur Verlängerung und Verbesserung
Verlängerung der Mietpreisbremse
Die bisher gesetzlich bis zum 31. Dezember 2020 begrenzte Geltungsdauer der Mietpreisbremse durch die möglichen Rechtsverordnungen der Landesregierungen wird um fünf Jahre verlängert.
Die Landesregierungen werden nunmehr ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils – also jetzt mehrmals – aber immer noch höchstens fünf Jahren zu bestimmen.
Eine entsprechende Rechtsverordnung soll nach der Gesetzesänderung spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2025 außer Kraft treten.
Zurückverlangen überhöhter Miete
Mieter sollen nunmehr auch rückwirkend zu viel gezahlte Miete zurückverlangen können.
Mieter können eine nach den geänderten Vorschriften der Mietpreisbremse nicht geschuldete Miete vom Vermieter rückwirkend zurückverlangen, wenn sie den Verstoß innerhalb von 30 Monaten nach Beginn des Mietverhältnisses und vor Beendigung des Mietverhältnisses rügen. Rügen sie den Verstoß nach diesem Zeitpunkt, oder wenn das Mietverhältnis bei Zugang der Rüge schon beendet ist, kann nur die nach Zugang der Rüge fällig werdende Miete zurückverlangt werden.
Derzeit können nur nach Zugang der Rüge fällig werdende Mieten zurückverlangt werden. Das Verlangen von, nach den Vorschriften der Mietpreisbremse, überhöhten Mieten ist derzeit risiko- und konsequenzlos. Mit den beabsichtigten Änderungen erhofft der Gesetzgeber, Vermieter, im Angesicht der rückwirkenden Rückforderungsmöglichkeit der Mieter, auch präventiv von Verstößen abzuhalten.
Ausblick und weiteres Vorgehen
Die vorstehende Übersicht gibt – zusammengefasst – den Inhalt des Referentenentwurfs bzw. des Gesetzentwurfes vor Beginn des Gesetzgebungsverfahrens wieder. Es ist daher gut möglich, dass sich Einzelheiten im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch ändern. Nach einer aktuellen Mitteilung der SPD-Bundestagsfraktion plant diese, eine „grundlegende Trendwende in der Wohnungspolitik“ einleiten zu wollen und kündigt weitere Gesetzgebungsinitiativen an. Was davon im laufenden Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Auch nach den bereits vorliegenden Gesetzentwürfen führt die Verlängerung der Mietpreisbremse zu einem, unter Umständen zehnjährigen Eingriff in die Rechte betroffener Vermieter. Dies wird – im Zusammenspiel mit der Verlängerung des Betrachtungszeitraumes zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und zukünftig möglichen Rückforderung zu viel gezahlter Mieten – erneut auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen.
Dennoch fällt der bisher vorliegende Entwurf des Bundesgesetzgebers zur Verschärfung der sog. Mietpreisbremse wesentlich moderater aus, als die parallel hierzu erstellten Entwürfe zur Mietpreisbeschränkung auf Länderebene. Derzeit wird in Berlin der heiß diskutierte sog. „Mietendeckel“ (siehe hierzu unser Legal Update vom 19.09.2019, https://www.goerg.de/de/aktuelles/veroeffentlichungen/19-09-2019/berliner-mietendeckel-ueberblick-ueber-den-gesetzentwurf) geplant.
Die geplanten Vorschriften des Berliner „Mietendeckels“ widersprechen den gerade vorgestellten Regelungen der Mietpreisbremse zum Teil direkt. Während sich der Bundesgesetzgeber weiterhin an der bereits geltenden „ortsüblichen Vergleichsmiete“ als Maßstab für die Zulässigkeit von Mieterhöhungen orientiert, möchte der Berliner Gesetzgeber harte Mietpreisbegrenzungen regeln, die sich insbesondere nicht mehr an der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ orientieren, sondern weitgehend unabhängig von Lage, Zustand und Ausstattung der Wohnung starre Mietpreisobergrenzen vorschreiben. Sofern die Berliner Pläne zur Einführung eines Mietendeckels tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten, ob die Regelungen verfassungsgemäß sind und wie der Konflikt zu den bundesgesetzlichen Vorschriften zur Mietpreisbremse zu lösen ist.
Da die auf Bundes- und Landesebene geplanten Gesetzesänderungen die Rediteerwartungen an Immobilien wesentlich beeinflussen werden, sollten sich Vermieter und Investoren regelmäßig über die aktuelle Gesetzeslage informieren und entsprechend ihr Vorgehen mit erfahrenen rechtlichen Beratern abstimmen.