Die qualifizierte elektronische Signatur von Gewerberaummietverträgen

Köln, 26.09.2022

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Das Arbeiten im Homeoffice aufgrund der Coronapandemie hat die Notwendigkeit des digitalen Signierens von Gewerberaum-    mietverträgen erneut verdeutlicht. Rechtlich ist der Mietvertragsabschluss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur unstreitig möglich. Welche Anforderungen dabei an die qualifizierte elektronische Signatur zu stellen sind, ergibt sich aus der vom europäischen Gesetzgeber seit dem 1. Juli 2016 in allen europäischen Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung findenden eIDAS-Verordnung. Nach den Erfahrungen in der mietrechtlichen Praxis werden Gewerberaummietverträge jedoch weiterhin sehr selten digital unterschrieben. Der Artikel soll die Anforderungen, die an die digitale Signatur zu stellen sind, die Vorteile, jedoch auch die in der Praxis geäußerten Bedenken gegen das digitale Signieren aufzeigen.

Die eIDAS-Verordnung

Mit der unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden eIDAS-Verordnung hat der europäische Gesetzgeber die Anforderungen, die an digitale Unterschriften in ganz Europa gestellt werden, verbindlich für alle Mitgliedstaaten festgelegt und dabei verschiedene Arten von elektronischen Signaturen (die einfache, die fortgeschrittene und die qualifizierte Signatur) definiert.

Die einfache elektronische Signatur

Bei der in Art. 3 Nr. 10 eIDAS-Verordnung definierten „einfachen elektronischen Signatur“ handelt es sich um die in die E-Mail eingetippte Unterschrift, die E-Mail-Signatur oder auch um die eingescannte Unterschrift. Diese Art der Signatur ist jedoch leicht manipulierbar. Bereits die Identität des Unterzeichnenden lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, da schlicht der Name einer anderen Person eingetippt werden kann. Ob nachträgliche Veränderungen des Dokuments erfolgten, ist zudem für den Empfänger nicht ersichtlich.

Die fortgeschrittene elektronische Signatur

Die fortgeschrittene elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 11 i. V. m. Art. 26 eIDAS-Verordnung weist im Unterschied zur einfachen elektronischen Signatur einen höheren Sicherheitsgrad auf. Sie ist eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet, ermöglicht die Identifizierung des Unterzeichners, wird unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt, die der Unterzeichner alleinig verwenden kann, und sie ist so mit den auf diese Weise unterzeichneten Daten verbunden, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten durch einen Abgleich der sogenannten Hashwerte erkannt werden kann. Der fortgeschrittenen Signatur liegt dabei das sogenannte Public-Key-Verfahren zugrunde.

Auch bei der fortgeschrittenen Signatur wird jedoch die Identität des Unterzeichners nicht zuvor von einer unabhängigen Stelle verifiziert. Zur Wahrung der Schriftform reicht deshalb auch die fortgeschrittene Signatur nicht aus. Wohl deshalb kommt sie in der Praxis auch kaum vor.

Die qualifizierte elektronische Signatur

Bei der qualifizierten elektronischen Signatur handelt es sich um die Art von Signatur, die vom deutschen Gesetzgeber als gleichwertig mit der handschriftlichen Unterschrift auf Papier angesehen wird. In der Praxis ist die qualifizierte elektronische Signatur bereits beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach („beA“) oder auch bei der Erstellung der elektronischen Steuererklärung in ELSTER üblich.

Die qualifizierte elektronische Signatur wird gemäß Art. 3 Nr. 12 eIDAS-Verordnung von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt und beruht auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen. Bei der sogenannten Signaturerstellungseinheit handelt es sich um eine Chipkarte, einen USB-Stick oder ein Lesegerät mit PIN oder lediglich um eine bloße App-Anwendung (sogenannte Fernsignatur) sowie um die Signatursoftware zur Erzeugung der qualifizierten elektronischen Signatur. Das sogenannte qualifizierte Zertifikat befindet sich je nachdem auf der Chipkarte, dem Lesegerät oder in der App-Anwendung und ist der elektronische Identifikationsnachweis, vergleichbar mit einem Personalausweis.

Qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter

DocuSign, D-Trust GmbH etc.

Das qualifizierte Zertifikat wird dem jeweiligen Unterzeichner erst nach Prüfung der Identität durch sogenannte qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter (Trust Service Provider) ausgestellt. In Deutschland werden die Vertrauensdiensteanbieter von der Bundesnetzagentur nach den Regelungen im Vertrauensdienstegesetz (VDG) akkreditiert und in regelmäßigen Abständen überprüft. Unter anderem handelt sich bei der D-Trust GmbH, der Bundesagentur für Arbeit, der Bundesnotarkammer oder der Deutsche Post AG um qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter. Die Europäische Kommission veröffentlicht ferner ein gemeinsames Vertrauenslistenverzeichnis aller in den europäischen Mitgliedstaaten akkreditierter Vertrauensdiensteanbieter, die sogenannte Trusted Browser List.

Einer der bekanntesten qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter, auch auf dem deutschen Markt, ist das amerikanische Unternehmen DocuSign, welches unter französischer Aufsicht steht. In Deutschland kooperiert DocuSign zudem mit der durch Deutschland akkreditierten D-Trust GmbH, bei der es sich um eine Tochtergesellschaft der Bundesdruckerei handelt. Deutschen Unternehmen steht es dabei frei, rechtssicher eine qualifizierte Signatur auch von einem in einem anderen Mitgliedstaat akkreditierten qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter zu erwerben und für den Abschluss von Gewerberaummietverträgen zu
verwenden. Denn in Art. 25 Abs. 3 eIDAS-Verordnung ist ausdrücklich geregelt, dass das in einem Mitgliedstaat ausgestellte qualifizierte Zertifikat in allen anderen Mitgliedstaaten als qualifizierte elektronische Signatur anerkannt wird.

Nationales Recht

Den nationalen Gesetzgebern steht die Entscheidungsbefugnis zu, ob für das jeweilige Rechtsgeschäft die elektronische Form als ausreichend angesehen wird. Nach deutschem Recht ist nur die qualifizierte elektronische Signatur der handschriftlichen Unterschrift gem. §§ 126 Abs. 3, 126a Abs. 1 BGB gleichgestellt. Daneben schließt der Gesetzgeber für bestimmte Rechtsgeschäfte die elektronische Form ausdrücklich aus. Die mietrechtlichen Vorschriften wie §§ 550, 568 BGB sehen keinen solchen Ausschluss der elektronischen Form vor. Auch in prozessualer Hinsicht haben mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehene Gewerberaummietverträge dieselbe Beweiskraft wie private Urkunden und begründen einen Anscheinsbeweis dafür, dass die Erklärung von der verantwortenden Person auch wirklich abgeben worden ist (§ 371a Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO).

Jedoch sollten die Parteien auch bei der Unterzeichnung des Gewerberaummietvertrags mit qualifizierter elektronischer Signatur bestimmte Voraussetzungen beachten:

Einverständnis des Empfängers

Die wohl überwiegende rechtswissenschaftliche Literatur hält die Unterzeichnung mit qualifizierter elektronischer Signatur nur dann für formwahrend, wenn ein ausdrückliches oder jedenfalls konkludentes Einverständnis des Erklärungsempfängers zur Verwendung der elektronischen Form vorliegt. Gegen eine solche Auffassung spricht jedoch der eindeutige Wortlaut des § 126 Abs. 3 BGB und der darin zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers. Die Auffassung wäre mithin als nicht gesetzeskonform abzulehnen. In der Praxis dürfte sich eine Verständigung über die elektronische Signierung jedoch gleichwohl anbieten.

Müssen beide Parteien digital unterschreiben?

Ausreichend dürfte es sein, wenn eine Partei qualifiziert elektronisch signiert und die andere Partei weiterhin handschriftlich unterzeichnet. Eine „Mischung“ der Form birgt jedoch das Risiko, dass es zu Zugangsfehlern der jeweiligen Erklärungen in der jeweiligen Form kommt. Für die Praxis ist daher zu empfehlen, dass die Parteien sich gemeinsam auf eine Form verständigen und beide sodann in dieser Form auch signieren.

Grundsatz der (elektronischen) Einheitlichkeit

Der gesamte formbedürftige Vertrag muss zudem elektronisch erfasst werden (Grundsatz der Einheitlichkeit der Urkunde). Alle Anlagen sollten daher zusammen mit dem Vertrag in elektronischer Form vorliegen, sodann mit dem PDF verbunden werden und einheitlich mit dem Vertragstext qualifiziert elektronisch signiert werden.

Zugang in elektronischer Form

Weitere Voraussetzung einer formwirksamen digitalen Unterschrift des Gewerberaummietvertrags ist, dass der qualifiziert elektronisch signierte Vertrag dem Empfänger auch in dieser elektronischen Form zugeht. Auf dem Weg zum Empfänger darf es dabei nicht zu sogenannten „Medienbrüchen“ kommen. Ein formgerechter Zugang wäre beispielweise dann nicht gewahrt, wenn das digitale Dokument zunächst ausgedruckt, dann wieder eingescannt und anschließend digital signiert wird oder aber digital signiert, anschließend wiederum ausgedruckt und dem Empfänger sodann postalisch zugesandt wird.

Die Bedenken in der Praxis

In der mietrechtlichen Praxis werden Gewerberaummietverträge nur selten mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen. Wenn überhaupt, erfolgt bei Zeitdruck oder bei der Vermietung vom „Reißbrett“, bei der absehbar ist, dass der Vertrag bis zur Übergabe an den Mieter noch mehrfach geändert werden muss, eine digitale Vorabunterzeichnung, und die handschriftliche Unterschrift wird auf postalischem Weg nachgeholt. Die Parteien begreifen dabei die digitale Unterzeichnung nur als sogenannte „Übergangslösung“ und haben vielfältige Bedenken gegen eine qualifizierte elektronische Signatur. Vorbehalte bestehen bereits dahingehend, dass bei Gewerberaummietverträgen mit langer Festlaufzeit jedenfalls ungewiss ist, welches Dateiformat in der Zukunft gebräuchlich sein wird. Auch die Sorge des Datenverlusts aufgrund eines Systemausfalls wird angeführt sowie das Risiko einer möglichen Nichtanerkennung von aus dem europäischen Ausland verwendeten Vertrauensdiensteanbieter wie DocuSign. Vor allem aber zeigt die Praxiserfahrung, dass es bei digital unterzeichneten Mietverträgen beim anschließenden Verkauf der Objekte zu erheblichen Diskussionen mit Erwerbern und finanzierenden Banken kommt.

Die Vorteile des digitalen Signierens

Den in der Praxis vorherrschenden Bedenken von Unternehmen, Erwerbern und Banken können jedoch die Vorteile einer qualifizierten elektronischen Signatur aufgezeigt werden. Die elektronische Unterzeichnung ist im Vergleich zur Ausfertigung der Verträge auf Papier schnell, kostensparend und ortsunabhängig, etwa aus dem Homeoffice heraus, möglich. Nachträgliche Änderungen des Dokuments sind durch einen Abgleich der Hashwerte sofort erkennbar und die Erstellung unbegrenzter Originale ist möglich. Durch einen bloßen einmaligen Ausdruck des beidseitig mit qualifizierter elektronischer Signatur versehenen PDF-Dokuments kann zudem das Risiko verhindert werden, dass zukünftig die PDF-Datei aufgrund der Neuerung von Dateiformaten nicht mehr verwendet bzw. geöffnet werden kann. Zudem könnten die Parteien eine Klausel in den Vertrag aufnehmen, wonach sich die Parteien wechselseitig verpflichten, den Vertrag bei veralteten Dateiformaten auf Verlangen einer Partei mit den neuen Datenformaten oder sogar auf Papier mit handschriftlicher Unterschrift und gleichbleibenden Vereinbarungen neu auszufertigen. Auch die Sorge vor einem Systemausfall dürfte wohl nur zum Teil begründet sein, sofern – wie jedenfalls üblich – eine Absicherung der Daten auf Zweitservern geschieht.

Ausblick  

In rechtlicher Hinsicht ist die Antwort auf die Frage, ob mit DocuSign oder beispielsweise der Fernsignatur sign-me der D-Trust GmbH ein Gewerberaummietvertrag qualifiziert elektronisch unterschrieben werden kann, eindeutig: Die qualifizierte elektronische Signatur wird von Gesetzes wegen der handschriftlichen Unterschrift auf Papier gleichgestellt.

Die Vertragsparteien sollten jedoch auch bei der digitalen Unterschrift gewisse Voraussetzungen beachten. Um Rechtsunsicherheit auszuschließen, sollte das Einverständnis zur elektronischen Signatur vom Vertragspartner eingeholt werden. Wenn auch rechtlich nicht zwingend notwendig, ist zudem zu empfehlen, dass beide Parteien qualifiziert elektronisch signieren und auf eine „Mischung“ der Form – sowohl bei der Unterzeichnung selbst als auch bei der Beifügung von Anlagen – verzichten. Stets sollte überprüft werden, ob die Unterzeichner die Signatur von einem auf der Trusted Brower List stehenden qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter erworben haben und ob es sich wirklich um eine qualifizierte elektronische – und nicht nur um eine einfache oder fortgeschrittene – Signatur handelt.

Entscheidendes Augenmerk muss ferner auf den richtigen Zugang des Dokuments gelegt werden. Denn die auf dem PDF-Dokument vorhandene qualifizierte elektronische Signatur muss dem Empfänger auch digital in dieser Form zugehen. Das in der Praxis nicht zu unterschätzende Risiko von „Medienbrüchen“ führt zu einem Formverstoß.

Zur Vermeidung von Anwendungsfehlern der Parteien ist daher für die Praxis zu empfehlen, den digitalen Unterschriftenprozess zentral durch eine Anwaltskanzlei koordinieren und überwachen zu lassen. Andernfalls besteht das Risiko, dass aufwendig verhandelte Gewerberaummietverträge mit langen Festlaufzeiten mit lediglich sechs monatiger Kündigungsfrist gekündigt werden.

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