Die Implikationen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes für die Immobilienbranche

Berlin, 26.09.2023

Bereits am 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) in Kraft getreten. Welche Auswirkungen für die Immobilienbranche dabei potenziell drohen, wurde bereits im Legal Update vom 8. März 2023 skizziert.

Dieser Beitrag dient nunmehr der vertieften Betrachtung anhand erster Erfahrungen aus der Praxis in Hinblick auf die Mannigfaltigkeit der möglichen konkreten Implikationen des LkSG für die Immobilienbranche.

Wer ist betroffen und welche Sorgfaltspflichten sind zu beachten

Betroffene Unternehmen

Das LkSG ist anzuwenden auf Unternehmen (ungeachtet ihrer Rechtsform), die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland haben und in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Ebenfalls erfasst sind ausländische Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in entsprechender Größe in Deutschland. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer, was den Kreis der Gesetzesadressaten erheblich erweitern wird.

Sorgfaltspflichten in den Lieferketten

Die betroffenen Unternehmen sind dazu verpflichtet, in ihren Lieferketten konkret festgelegte menschenrechtliche und umwelt-bezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. Die Lieferkette im Sinne des LkSG bezieht sich dabei auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens und umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind – angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden. Erklärtes Ziel des LkSG ist es, menschen-rechtlichen oder umweltbezogenen Risiken entlang der Lieferkette vorzubeugen, sie zu minimieren oder den Verstoß gegen die entsprechenden Pflichten zu beenden. 

Konkrete Sorgfaltspflichten

Die Sorgfaltspflichten betreffen konkret die Einrichtung eines Risikomanagements, die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit, die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, die Abgabe einer Grundsatzerklärung, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern, das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen, die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, die Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern sowie die Dokumentation und die Berichterstattung.

Geschützte Rechtspositionen

Das LkSG wartet mit einem umfangreichen Katalog an geschützten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Rechtspositionen auf, welcher sich aus Verweisen auf elf verschiedene Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte ergibt und damit insgesamt einen beachtlichen Umfang annimmt. Erfasst sind unter anderem die Verbote gegen verschiedene Formen der Kinderarbeit, gegen Zwangsarbeit, gegen alle Formen der Sklaverei und der sklavenähnlichen Praktiken sowie gegen das Vorenthalten eines angemessenen Lohns und die Missachtung der Koalitionsfreiheit. Die geschützten umweltbezogenen Rechtspositionen umfassen in erster Linie Verbote im Kontext mit dem Umgang von Quecksilber und gefährlichen Abfällen sowie der Verwendung persistenter organischer Schadstoffe.

Mögliche Anwendungsszenarien in der Praxis

Auch wenn sich die Bedeutung des LkSG auf die Immobilienbranche, insbesondere im Rahmen bloßer Vermietungstätigkeit, nicht unmittelbar aufdrängt, sollte dessen Bedeutung für die Praxis nicht unterschätzt werden. Nachfolgend sollen daher erste Praxisbeispiele erläutert werden, die einen besseren Zugang zu dem Anwendungsbereich des LkSG vermitteln.

Vermietungstätigkeit

Da die Anzahl privater Kleinvermieter diejenige der gewerblichen Großvermieter in Deutschland weit übersteigt, dürfte der aufgrund des LkSG entstehende zusätzliche Verwaltungsaufwand für die meisten Vermieter zunächst gering ausfallen. Für Unternehmen, die von dem LkSG hingegen betroffen sind, gilt es künftig, ein entsprechendes Risikomanagement durchzuführen. 

Denkbar ist nämlich, dass sich aus Vermietersicht umweltbezogene Risiken im Sinne des LkSG realisieren können. Üblicherweise beauftragt der Vermieter im Rahmen von Vermietungen Dienstleister mit der Instandhaltung ihrer Gebäude. Verwendet der beauftragte Dienstleister nun ein Anstrichmittel, welches persistente organische Schadstoffe enthält, liegt ein Verstoß gegen die in § 2 Abs. 3 Nr. 4 in Bezug genommenen Bestimmungen vor. Folglich muss der vom LkSG betroffene Vermieter Maßnahmen nach dem LkSG ergreifen.

Immobilientransaktionen

Es ist zudem zu erwarten, dass das LkSG insbesondere praktische Auswirkungen auf den Bereich der Immobilientransaktionen haben wird, wie die nachfolgend skizzierte praxisnahe Konstellation beispielhaft zeigen soll.

Flächen in einer Shoppingmall werden durch einen Vermieter gewerblich vermietet. Einer der Mieter betreibt auf einer kleinen Fläche innerhalb der Shoppingmall eine Kaffeerösterei. Es stellt sich heraus, dass der Mieter die zum Verkauf stehenden Produkte nur deshalb zu besonders konkurrenzfähigen Preisen anbieten kann, weil er Produkte bezieht, die mittels Kinderarbeit auf einem anderen Kontinent hergestellt wurden. Da der Vermieter vom Anwendungsbereich des LkSG nicht selbst betroffen ist und er im Übrigen bereits Pläne hegt, die Immobilie zu verkaufen, lässt er diesen Umstand zunächst auf sich beruhen.

Zu bedenken ist in dieser Situation jedoch Folgendes: Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des LkSG ist ein menschenrechtliches Risiko gegeben, wenn ein Verstoß gegen das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit droht. Darüber hinaus ist das Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit zu berücksichtigen.

Obwohl nur eine kleine Fläche innerhalb der Shoppingmall betroffen ist, liefe ein Investor, welcher aufgrund seiner Mitarbeiterzahl Adressat des LkSG ist, in dieser Konstellation Gefahr, durch den Erwerb seine eigene Lieferkette zu „vergiften“. Als Konsequenz müsste der Investor die nach dem LkSG erforderlichen Schritte hinsichtlich der Lieferkettensorgfalt ergreifen bzw. gänzlich von dem Erwerb der Shoppingmall absehen.

Fazit und Ausblick

Bereits das letzte Fallbeispiel zeigt daher, dass Marktteilnehmer, die zunächst nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, durchaus mittelbar von dessen Auswirkungen betroffen sein können. Gerade im Rahmen von Immobilientransaktionen werden damit regelmäßig durchzuführende Due-Diligence-Prüfungen umso bedeutender und umfangreicher. So dürften bei der Ankaufsprüfung zukünftig neben den üblicherweise zu betrachtenden Risiken durch das LkSG neue hinzutreten. In welchem Umfang dies erfolgen wird, bleibt jedoch aufgrund der offenen und bisher noch nicht in voller Bandbreite abzusehenden Reichweite des LkSG abzuwarten. Insoweit bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung zeitnah erste Leitplanken für den künftigen Umgang mit dem LkSG aufstellen wird.

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