Der BGH und die Bearbeitungsentgelte

28.01.2015

Einführung

Für großen Wirbel in der Kreditbranche sorgten die Parallelentscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 2014 (XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13). Unter ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung erklärte der Bundesgerichtshof vorformulierte Bearbeitungsentgelte in Kreditverträgen für unzulässig. Damit stehen Rückzahlungsforderungen in Milliardenhöhe im Raum. Am 28. Oktober 2014 legte der Bundesgerichtshof nach: Wiederum in zwei parallelen Entscheidungen (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14) setzte er den Verjährungsbeginn für alle bis 2011 geleisteten Bearbeitungsentgelte auf den Schluss des Jahres 2011 fest.

Ausdrücklich beziehen sich diese Entscheidungen nur auf Verbraucherdarlehen. Die Klärung für Bearbeitungsentgelten in Darlehensverträgen mit Unternehmern steht mithin noch aus. Deren Ausgang ist keinesfalls klar, auch wenn einige Stimmen in der Literatur die unterschiedslose Übertragung der obigen Entscheidungen annehmen.

Anliegen dieses Legal Updates ist es, einen Überblick zum aktuellen Stand hinsichtlich der Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten und mögliche zukünftige Alternativinstrumente zu bieten.

Die Thematik ist nicht nur für bereits erfolgte Finanzierungen, sondern auch für die Gestaltung zukünftiger Kreditverträge mit gewerblichen Kunden von Relevanz.

Rechtsprechung zu Verbaucherdarlehen

Unzulässigkeit von Bearbeitungsentgelten

In seinen beiden inhaltlich parallelen Entscheidungen vom 13. Mai 2014 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehensverträgen den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 488 BGB widersprechen und den Darlehensnehmer unter Verstoß gegen die Gebote von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Deshalb – so der Bundesgerichtshof – waren sie gemäß § 307 Abs.1 S.1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für unwirksam zu erklären (BGH, Urteil vom XI ZR 170/13 vom 13. Mai 2014, Rn. 71).

Die AGB-rechtliche Prüfung sei bei Bearbeitungsentgelten schon eröffnet, wenn solche zum Zwecke künftiger Verwendung in vorformulierten Vertragsbedingungen lediglich „im Kopf des Verwenders abgespeichert“ seien. Bearbeitungsgebühren seien als Preisnebenabrede, die keine echte Gegenleistung zum Gegenstand habe, der Inhaltskontrolle unterworfen. Gemäß § 488 BGB sei im Rahmen eines Darlehensvertrags nur der laufzeitabhängige Zins eine nicht zu kontrollierende Preisabrede. Das laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelt könne nicht als Teil des Zinssatzes eingeordnet werden.

Vielmehr lasse sich die Bank hierüber eine Leistung vergüten, die sie primär im eigenen Interesse erbringe und im Rahmen des Austauschverhältnisses des § 488 BGB ohnehin schulde. Eine gesonderte, rechtlich selbstständige und damit auch eigenständig vergütungsfähige Leistung liege in der Bearbeitung des Kreditantrags gerade nicht vor. Die Prüfung von Bonität und Sicherheiten erfolge nur im Interesse des Kreditinstituts sowie im Interesse der Sicherheit des Bankensystems, und nicht im Kundeninteresse (BGH a.a.O. Rn. 60). Diese Bereitstellungskosten habe die Bank daher in den laufzeitabhängigen Zins einzupreisen.

Die Bank schuldet daher die Rückzahlung der Bearbeitungsgebühr. Zusätzlich kann der Kunde einen Nutzungswertersatz verlangen, also eine Verzinsung der Bearbeitungsgebühr seit ihrer Zahlung an die Bank. Der Bundesgerichtshof sprach den Kunden in den zu entscheidenden Fällen einen Anspruch in Höhe der Verzugszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Auf die Frage, ob bei einem grundpfandrechtlich besicherten Darlehen ein geringerer Nutzungswertersatzanspruch von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszins in Betracht kommt (entsprechend § 503 Abs. 2 BGB), musste der Bundesgerichtshof nicht entscheiden.

Ferner stellte der Bundesgerichtshof klar, dass der Verbraucher keinen Anspruch auf Neuabrechnung des Darlehens habe, wenn – was die Regel ist – die Bearbeitungsgebühr aus den Darlehensmitteln bezahlt wurde und nicht mit den späteren Darlehensraten.

Verjährung der Rückforderungsansprüche

Mit seinen Urteil aus Mai 2014 klärte der Bundesgerichtshof zwar, dass Bearbeitungsentgelte gemäß § 812 BGB zurückgefordert werden können, jedoch schloss sich hieran die Frage ihrer Verjährung an. Da es sich bei der Entgelterhebung um eine langjährige Übung der Banken handelte, waren viele Rückforderungsansprüche schon vor dem Jahr 2011 entstanden. 

Der Bundesgerichtshof entschied hier zugunsten der Verbraucher. In zwei parallelen Urteilen vom 28. Oktober 2014 (XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14) erklärte er, dass maßgeblicher Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn aller Rückzahlungsforderungen der Schluss des Jahres 2011 sei. 

Da in der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die formularmäßige Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten in banküblicher Höhe stets gebilligt worden sei (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 14. September 2004 - XI ZR  11/04), sei eine verjährungshemmende Klageerhebung nicht zumutbar gewesen. Die Zumutbarkeit einer Klage sei aber übergeordnete Voraussetzung des Verjährungsbeginns. Erst ab dem Jahr 2011 habe eine Reihe von Oberlandesgerichten die Wirksamkeit der formularmäßigen Entgeltklauseln verneint, so dass erst ab dieser Zeit davon auszugehen gewesen sei, dass Anspruchsteller eine Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatten. Da die regelmäßige Verjährung damit erst mit Ablauf des Jahres 2011 begann, konnte Verjährung erst zum Ende des Jahres 2014 eintreten.

Daneben läuft aber auch die zehnjährige absolute Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB, deren Beginn kenntnisunabhängig ist. Damit sind Rückzahlungsforderungen, die vor dem Jahr 2004 oder mehr als zehn Jahre vor Erhebung einer Klage entstanden sind, bereits verjährt.

Bearbeitungsentgelte bei Unternehmerdarlehen

Inwieweit sich die getroffenen Feststellungen des Bundesgerichtshofs auch auf Darlehensverträge mit Unternehmern übertragen lassen, ist mangels obergerichtlicher Klärung offen. Grundlegend verbleibt es aufgrund des Leitbilds des § 488 BGB bei der Einordnung des Bearbeitungsentgelts als der AGB-rechtlichen Kontrolle zugängigen Preisnebenabrede.

Allerdings ist der Ausgang einer solchen Überprüfung keinesfalls so klar wie im Falle eines Verbraucherdarlehens, da hier der Kontrollmaßstab erheblich abweicht. Zum einen gibt § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, dass im Rahmen der Abwägung nach § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen zu berücksichtigen sind. Ein solcher beachtenswerter Brauch liegt dann vor, wenn wiederholte Übung und Quantität für dessen Allgemeingültigkeit sprechen. Die Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten war bislang gängige Praxis bei Unternehmerdarlehen, möglicherweise liegt mit dieser allgemein vorgenommenen Übung ein im Rahmen der Abwägung relevanter Brauch vor. Dies mag in einer künftigen höchstrichterlichen Beurteilung zu berücksichtigen sein.

Außerdem könnte sich eine von den oben dargestellten Urteilen abweichende Einschätzung aus grundrechtlichen Wertungen ergeben. Die Unzulässigerklärung von Bearbeitungsentgelten bedeutet einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Banken aus Art. 12 Abs. 1 GG, die auch die Dispositionsfreiheit in Bezug auf Vergütungsverhandlungen schützt. 

Diesen Eingriff hat der Bundesgerichtshof mit kurzem Hinweis auf die Notwendigkeit zur Herstellung einer „Waffengleichheit“ des Verbrauchers mit dem Klauselverwender gerechtfertigt (BGH a.a.O., Rn. 93). Der hier tragende Gedanke des Verbraucherschutzes greift im Fall eines Unternehmerdarlehens nicht, weswegen die Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auf allgemeinere, keinesfalls zwingende Gründe – wie z.B. einen möglichen Verstoß gegen Treu und Glauben – gestützt werden müsste. Eine solche unangemessene Benachteiligung, die einen Eingriff in die Dispositionsfreiheit rechtfertigen könnte, unterliegt jedoch hohen Hürden. 

Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Schwelle der Unzulässigkeit von Vertragsvereinbarungen grundsätzlich erst erreicht, wenn ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien besteht, dergestalt, dass die Vertragsgestaltung einseitig diktiert werden könnte (BVerfG, WM 2010, 2044, 2045). Dann sei es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der beteiligten Parteien hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt. Ob beim Darlehensvertrag zwischen Banken und Unternehmern eine gravierende Disparität besteht, die den Eingriff in Artikel 12 GG zu rechtfertigen geeignet ist, ist jedenfalls nicht evident.

Alternativüberlegungen zur Bearbeitungsgebühr

Um der beschriebenen Unsicherheit entgegenzuwirken, liegen folgende Ansätze nahe:

Zinsaufschlag

Die offenkundigste Reaktion liegt im Einpreisen der entgangenen Gebühren in den laufzeitabhängigen Zins. Allerdings hat dies zur Folge, dass im Falle einer vorzeitigen Kündigung die anfallenden Abschlusskosten nur anteilig amortisiert werden können. Die im Vorfeld anfallenden Bearbeitungskosten können jedoch bei manchen Kreditnehmern schnell sechsstellige Beträge erreichen. Damit ist die Möglichkeit  der Einpreisung in den Zins – die außerdem die Gefahr trägt, auf den ersten Blick unattraktiver als konkurrierende Kreditinstitute zu erscheinen, die die Bearbeitungsgebühr anders umlegen – nicht besonders spannend.

Disagio

Ähnliches gilt für das Instrument des Disagios. Dieses gleicht auf den ersten Blick dem Bearbeitungsentgelt: Ein Disagio ist ein Abschlag auf den Darlehensnennwerts, der schon bei Auszahlung des Darlehens einbehalten wird, wobei die Zinsen aus dem gesamten Darlehensnennbetrag berechnet werden. Nach bisheriger Rechtsprechung bleibt die Erhebung eines Disagios möglich. Die gerichtliche Billigung gründet entscheidend unter anderem darin, dass Disagios  laufzeitabhängig gestaltet sind, also bei vorzeitiger Beendigung auch grundsätzlich zumindest anteilig zu erstatten sind (BGH, Urteil vom 29. Mai 1990, XI ZR 231/89 Rn. 13 ff.). Damit ergibt sich im Wesentlichen auch hier der Nachteil für Banken, die zur Erstellung eines Kreditangebots notwendigen Kosten im Falle vorzeitiger Kündigung gegebenenfalls nicht oder nur anteilig zu erhalten.

Selbständiger Beratungsvertrag

Nachgedacht wird zwar alternativ über den Abschluss eines eigenständigen Beratungsvertrags. Dieser müsste aber, um nicht als bloße Umgehungsregelungen qualifiziert zu werden, selbstständige, über den Darlehensvertrag hinausgehende Beratungspflichten etablieren, was aber auch eine Erweiterung der Haftungsrisiken der Bank bedeuten würde. 

Individuelle Vereinbarung

Grundsätzlich ist die Erhebung eines Bearbeitungsentgelts auch nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs möglich, sofern dieses individuell ausgehandelt wird. Allerdings sind hier einige Hürden zu nehmen. Ein individuelles Aushandeln ist nur dann gegeben, wenn die Bank sowohl die Höhe wie auch das „ob“ des Entgelts zur Disposition stellt (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 1991, IV ZR 90/90, Rn. 15).

Die Entwicklung der Rechtsprechung diesbezüglich ist nur schwer vorherzusagen. Es scheint denkbar, dass die Gerichte auch hier nur Leistungen den Kunden in Rechnung gestellt sehen, die nach ihrer Ansicht ausschließlich im Interesse der Bank erfolgen.

Ausblick

Nach den richtungsweisenden Urteilen vom 13. Mai 2014 ist eine weitere höchstrichterliche Entscheidung zu erwarten; der Bundesgerichtshof wird in absehbarer Zeit wohl die Zulässigkeit von Bearbeitungsentgelten bei Unternehmerdarlehen behandeln. Es bleibt also spannend, ob der Bundesgerichtshof auch hier von seiner langjährigen Rechtsprechung abkehrt und die Gebühren ebenfalls für unzulässig erklärt. 

Für die Banken bedeutet dies eine Schwebelage, in der eine unveränderte Fortsetzung der bisherigen Praxis bei Bearbeitungsentgelten mit erheblichen Risiken behaftet wäre.

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