Wer malt, haftet – Irreführende Grenzmarkierung im Maklerexposé (LG Lübeck, Urteil vom 15.05.2023 – 10 O 315/21)

Köln, 28.08.2023

Selten werden Entscheidungen eines Landgerichts zum Gegenstand von Kommentierungen in Sekundärveröffentlichungen. Zu speziell ist meist der Einzelfall und zu ungewiss ist daher die Verallgemeinerungsfähigkeit der betreffenden Rechtsfindung. Für das hier besprochene Urteil des Landgerichts Lübeck gilt dies indes nicht: Es unterstreicht noch einmal die besondere Sorgfalt, die man auf Seiten eines Grundstücksverkäufers bzw. seines Maklers auf die Vorbereitung relevanter Verkaufsunterlagen und die vorvertragliche Aufklärung des Käufers legen sollte.

Was war passiert?

Das zu verkaufende Hausgrundstück war mit einer grenzständigen Doppelhaushälfte bebaut. Aus der Katasterkarte war ersichtlich, dass die Doppelhaushälfte des Nachbarn die Grundstücksgrenze um ca. 90 cm überbaute. Auch der Grenzzaun stand aufgrund diese Umstandes ca. 90 cm zu weit von der Grenze entfernt auf dem Verkaufsgrundstück, da sich seine Ausrichtung vor Ort an der sichtbaren Gebäudetrennfuge und nicht der katastermäßigen Grenze orientierte.

Der zuständige Makler des mit dem Verkauf beauftragten Maklerunternehmens hatte zwar einen Ausschnitt aus der Katasterkarte in das Exposé eingefügt, dort aber die Grundstücksgrenze mit einer derart breiten, roten Linie markiert, dass der Umriss des Überbaus daneben kaum erkennbar war. Vor Ort hatten sich die Käufer zwar gewundert, warum der Stellplatz auf ihrem Grundstück viel schmaler als der auf dem sich an der abgewandten Seite anschließenden Nachbargrundstück ausfiel. Der Makler hatte sie aber dennoch nicht auf den Überbau hingewiesen, sondern lediglich ausgeführt, mit der Grenze sei ggf. etwas nicht in Ordnung.

Das Landgericht Lübeck hat das Maklerunternehmen zur Leistung von Schadensersatz an die Käufer, u.a. für eine Neuvermessung des Grundstücks und dessen Wertminderung verurteilt. Sie könne auch nicht der übliche Haftungsausschluss für die vom Verkäufer erhaltenen Informationen, inklusiver etwaiger Baupläne, entlasten. Der Makler habe zwar mit der roten Grenzmarkierung vollkommen verkehrsüblich gehandelt, die gegebene Information damit aber eigeninitiativ modifiziert. Aufgrund seiner besonderen Sachkunde habe es sich ihm aufdrängen müssen, dass der Überbau damit nur noch bei besonders kritischer Betrachtung des Katasterkartenausschnitts zu erkennen sein würde. Er hätte daher u.a. bei den Besichtigungen ausdrücklich über den Überbau aufklären müssen.    

Bewertung und praktische Hinweise

Die Entscheidung des Landgerichts zeigt wieder einmal in lehrbuchartiger Weise auf, dass sogar eigentlich triviale Umstände zu schwerwiegenden Haftungsfolgen führen können. In dieser Hinsicht lassen sich die hieraus zu ziehenden Lehren auch durchaus auf größere Transaktionen gewerblicher Immobilien übertragen.

Im vorliegenden Fall ist niemand belogen oder bewusst getäuscht worden. Vielmehr hat der beteiligte Makler in absolut üblicher Weise das Verkaufsgrundstück mit roter Umrandung in dem ins Exposé eingefügten Plan markiert. Auch die Markierung war dabei offenbar fehlerfrei, sie führte lediglich in ihrer konkreten Ausführung zu einer erschwerten Erkennbarkeit anderer für den Verkauf wichtiger Informationen, nämlich des Überbaus.

Gerade diese Trivialität des in Rede stehenden Fehlers – ein Makler ist schließlich kein Ingenieur, der millimetergenaue Baupläne zeichnet – zeigt auf, welche Sorgfalt beim Verkauf von Grundstücken auch auf kleine, vermeintlich unwichtige Details zu legen ist. Nur allzu schnell nimmt man z.B. als Verkäufer an, dass Käufer den Katasterplan schon ausreichend sorgfältig studieren würden, um neben der dominierenden roten Linie auch die dünne schwarze, den Überbau kennzeichnende Linie zu erkennen. Oder man unterstellt gar, dass Käufer sich auf andere Weise Kenntnis von dem Überbau verschaffen würden. Beides ist wie gesehen falsch.

Für den Verkauf wichtige Informationen – gleich wie alltäglich sie sein mögen – haben so akkurat und transparent wie möglich zu sein. Wo dies nicht möglich ist, etwa, wenn im hiesigen Beispiel nur eine breite rote Linie sinnvoll gezeichnet werden kann, sollte man auf Verkäuferseite eben zum Vergleich die unbearbeitete Katasterkarte parallel zur Einsicht vorlegen. Am besten ist es ohnehin, wenn man zusätzlich vorvertraglich und/oder spätestens im Kaufvertrag auf solche für die Kaufentscheidung relevanten Umstände hinweist.

Der Bundesgerichtshof hat zuletzt seine Anforderungen an die Aufklärungspflichten von Verkäufern weiter verschärft (siehe Legal Update „Aufklärungspflicht des Grundstücksverkäufers gilt auch für Details“ vom 24.02.2023). Gerade vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, auch Verkaufsunterlagen und Anlagen zum Kaufvertrag kritisch zu prüfen bzw. durch rechtliche Berater prüfen zu lassen und selbst vermeintlich leicht erkennbare Missverständnisse nachhaltig aufzuklären. Nur so ist man auch bei gewerblichen Verkäufen auf der sicheren Seite, nicht wegen unbeabsichtigter und trivialer Missverständnisse zu haften. 

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