Mit dem „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ planen Bund und Länder einen Schritt in Richtung „Deutschland-Tempo“. Der Pakt steht im Zeichen der Effektivitätssteigerung – durch verschiedene Maßnahmen wollen Bund und Länder Planungsverfahren beschleunigen, um die angestrebte Transformation Deutschlands möglichst zügig zu realisieren.
Verfahrensbeschleunigung durch Digitalisierung
Der neue Regelfall
Digitale Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen im Rahmen der Fach- und Bundesgesetze zum Regelfall werden. Dafür sollen die Regelungen des PlanSiG lückenlos in das VwVfG sowie einschlägige Fachrechte übertragen werden. Im Fachrecht plant der Bund weitere Digitalisierungsmaßnahmen, die es noch zu konkretisieren gilt. Schriftformerfordernisse sollen soweit wie möglich gestrichen bzw. durch digitale Tools ersetzt werden.
Öffentlichkeitsbeteiligung
Auch der Verfahrensschritt der Öffentlichkeitsbeteiligung soll digitaler ausgestaltet werden. Möglichkeiten zur digitalen Auslegung von Planungsunterlagen sowie digitale Erörterungstermine sollen zum Normalfall werden.
Zudem soll mithilfe einer einheitlichen, standardisierten und maschinenlesbaren Dokumentation von Ergebnissen aus einer früheren informellen Öffentlichkeitsbeteiligung i. S. d. § 25 Abs. 3 VwVfG die effektive Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse auch im weiteren Verlauf des Verfahrens ermöglicht werden.
Künstliche Intelligenz
In sämtlichen Verfahrensschritten sollen Daten standardisiert, maschinenlesbar und strukturiert verarbeitet werden, um den Einsatz sog. Künstlicher Intelligenz in Planungsverfahren zu ermöglichen. Insbesondere KI-basierte Sprachmodelle, sogenannte Large Language Models, könnten die Verarbeitung von Daten aus Beteiligungsprozessen vereinfachen.
Durch die Nutzung eines standardisierten Informations- und- Datenaustauschs soll zudem die Zusammenarbeit zwischen den Prozessbeteiligten vereinfacht werden.
Digitales Portal für Umweltdaten
Der Bund beabsichtigt, Konzepte zur Schaffung eines bundesweiten Umweltdatenkatasters so- wie einer Gutachtendatenbank zu entwickeln. Mithilfe eines standardisierten und maschinenlesbaren Formats sollen vorhabenbezogene Kartierungsdaten öffentlich zur Verfügung gestellt werden und somit für weitere Verfahren nutzbar gemacht werden.
Effektivitätssteigerung der Planungsverfahren
Anzeige- und Plangenehmigungsverfahren
Der Anwendungsbereich von Anzeige- und Plangenehmigungserfahren soll erweitert werden. Dies gilt insbesondere für kleine und gleichartige Projekte, die erkennbar nur ein unwesentliches Risiko erwarten lassen. Fälle von unwesentlicher Bedeutung sollen gänzlich von der Genehmigungspflicht befreit werden.
Parallelisierung bei mehrstufigen Planungsverfahren
Insbesondere in mehrstufigen Planungsverfahren liegt erhebliches Potenzial zur Beschleunigung durch gezielte Parallelisierung von Maßnahmen. Hierzu gehört beispielsweise die Zusammenführung von Raumverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren sowie die Integration der Linienbestimmung in den Planungsprozess.
Fristverkürzungen und Genehmigungsfiktion
Trotz festgelegter Fristen entstehen in der Zusammenarbeit mit den beteiligten Trägern öffentlicher Belange oftmals Verzögerungen. Erteilen die Träger öffentlicher Belange ihr Einvernehmen oder ihre Zustimmung nicht innerhalb einer bestimmten Frist, sollen diese daher in Zukunft in bestimmten Fällen fingiert werden können. Des Weiteren sollen Fristen innerhalb der Planungsverfahren verkürzt werden, wie gerade bereits im Bereich der Genehmigung von Windenergieanlagen oder im Verkehr erfolgt.
Gesetzliche Artenschutzstandards
Im Bereich der Schienen-, Straßen und Energieinfrastruktur sollen einheitliche Artenschutzstandards gesetzlich festgelegt werden. Erste Schritte im Bereich der Schiene wurden bereits Anfang Mai 2023 mit einem Eckpunktepapier der Bundesregierung eingeleitet. Im Hinblick auf den Umgang mit ubiquitären Arten, also Arten, die in vielen verschiedenen Biotopen vorkommen können, wollen Bund und Länder mithilfe eines Leitfadens zeitnah eine einheitliche Vorgehensweise gewährleisten. Auch bezüglich anderer Artenschutzbelange soll eine standardisierte und damit effizientere Vorgehensweise ermöglicht werden.
Stichtagsregelung
Insbesondere im Hinblick auf aufwendige, langwierige und komplexe Planungsverfahren können Änderungen der Sachlage zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen, da eine Anpassung der Planung notwendig wird. Um diese Verzögerungen zu eliminieren, wollen Bund und Länder eine Stichtagsregelung einführen. Dabei sollen Sach- und Rechtslage sowie der aktuelle Stand der Technik zum Stichtag festgesetzt werden. Bund und Länder werden eine solche Regelung in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen einführen, soweit dies zweckmäßig ist, sowie mit einer Rechtsfolge, die europarechtlich zulässig ist. Sollten dazu Änderungen des EU- Rechts erforderlich sein, wird der Bund auf diese hinwirken.
Legalplanung
Bund und Länder sollen bis Mitte 2024 für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich prüfen, inwiefern die Genehmigung bedeutsamer Infrastrukturvorhaben durch den Gesetzgeber verfassungsrechtlich zulässig ist und tatsächlich zu einer Beschleunigung beitragen kann.
Besonderheiten im Fachrecht
Duldungspflichten im Rahmen des Energieinfrastrukturausbaus
Der Bund will gesetzliche Anpassungen vornehmen, nach denen Eigentümer das Betreten ihres Grundstücks im Rahmen des Energieinfrastrukturausbaus dulden müssen, ohne dass Vorhabensträger dies zuvor langwierig vor Zivilgerichten durchsetzen müssen. Ebenso soll eine entschädigungspflichtige Duldungspflicht von Grundstückseigentümern für das Anbringen und Verlegen von Leitungen zum Anschluss von Erneuerbare-Energien-Anlagen an das allgemeine Strom- oder Wärmenetz eingeführt werden.
Umweltverträglichkeitsprüfung
Im Rahmen der europarechtlich zulässigen Möglichkeiten will der Bund Spielräume für Bagatellschwellen nutzen und eine Erweiterung der Ausnahmen gem. Anlage 1 UVPG für Änderungs- und Modernisierungsvorhaben anstreben. Daneben wird geprüft, inwieweit die Unerheblichkeit bei Ersatzneubauten weiter gefasst werden kann, um Änderungs- oder Modernisierungsvorhaben genehmigungsfrei stellen zu können.
Beschleunigung von Schienenverkehrsvorhaben
Bereits mit dem aktuell noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Genehmigungsbeschleunigungsgesetz wird für die wichtigsten deutschen Schienenprojekte ein überragendes öffentliches Interesse festgelegt. Zukünftig soll darüber hinaus beim Aus-, Neu- und Ersatzbau von Schieneninfrastruktur die grundsätzliche Annahme eines überragenden öffentlichen Interesses im Sinne des Klimaschutzes und der Daseinsvorsorge gesetzlich verankert werden und dementsprechend in die Abwägung einfließen müssen. Außerdem wird eine – jedenfalls zeitweise – erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG ins Auge gefasst.
Rechtsschutzverfahren
Im Rahmen von Rechtsschutzverfahren soll verstärkt die Möglichkeit der Mediation genutzt werden. Dabei wird eine Entlastung der Gerichte sowie eine effektivere Lösungsfindung erwartet. Bei bestimmten Regelungsgegenständen soll zudem auf ein Widerspruchsverfahren verzichtet werden.
Präklusionswirkungen
Im Rahmen der Reform der Verwaltungsgerichtsordnung wurde die innerprozessuale Präklusion bereits erheblich gestärkt. Verzögerungen durch Sachverhalts-, Rechts- oder Verfahrenseinwände, die in einem fortgeschrittenen Zeitpunkt des Verfahrens vorgebracht werden, sollen dadurch gemindert werden.
Möglichkeiten der Einführung einer materiellen Präklusion sind – insbesondere nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs von 2015 und 2021 – stark eingeschränkt. Sofern die Aarhus-Konvention eine materielle Präklusion zulässt, wollen Bund und Länder sie jedoch dort einführen, wo Beschleunigungseffekte zu erwarten sind.
Ausblick
Die Intentionen und Ansätze des „Pakts für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ zwischen Bund und Ländern sind begrüßenswert. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise die geplanten Maßnahmen realisiert werden und wie die angekündigten Prüfungen bezüglich der verfassungs- und europarechtlichen Konformität ausfallen. Trotz vieler offener Fragen hinsichtlich der konkreten Umsetzung deutet einiges darauf hin, dass insbesondere durch die Standardisierungen, die Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung und das digitale Portal für Umweltdaten bestehende Hindernisse beseitigt und der Weg für schnellere Verfahren bereitet wird. Gleiches gilt für die Bestrebungen, Ersatzneubauten und Vorhaben mit geringen (Umwelt-)Auswirkungen in möglichst einfachen Verfahren abzuwickeln.