Zur Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen der Bauaufsicht

29.03.2010

[] Bei der Betrachtung der Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen müssen zwei Fälle unterschieden werden. Zum einen können (ältere) Gebäude Mängel am Bauwerk aufweisen. Zum anderen können Gebäude nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprechen, wenn neue – strengere - Bestimmungen in Kraft getreten sind. Insbesondere im zweiten Fall stellt sich die Frage der Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen der Bauaufsicht gegen die baulichen Missstände; dies soll anhand von Beispielsfällen erörtert werden.

Zum einen können (ältere) Gebäude Mängel am Bauwerk aufweisen. Zum anderen können Gebäude nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprechen, wenn neue – strengere - Bestimmungen in Kraft getreten sind. Insbesondere im zweiten Fall stellt sich die Frage der Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen der Bauaufsicht gegen die baulichen Missstände; dies soll anhand von Beispielsfällen erörtert werden.

MÄNGEL AM BAUWERK

Bei erkannten Beschädigungen der Bausubstanz, die den weiteren Betrieb gefährden, ist die Bauaufsicht befugt, sofort einzuschreiten.

Für ein solches Einschreiten kann die allgemeine bauordnungsrechtliche Eingriffsermächtigung herangezogen werden. Diese sog. Generalklausel ist in allen Landesbauordnungen enthalten. Beispielsweise zählen der § 58 Abs.1 der Berliner Bauordnung und der § 52 Abs.2 der Brandenburger Bauordnung zu den Aufgaben und Befugnissen der Bauaufsichtsbehörde die Kontrolle darüber, dass bei der Instandhaltung von Anlagen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Satz 2 der Normen erteilt jeweils die Ermächtigung, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 3 Abs. 1 BlnBauO bzw. § 3 Abs.1 Nr.1 BbgBauO ist insbesondere dann gegeben, wenn entgegen einer Spezialvorschrift die Instandhaltungspflicht nicht erfüllt wird, wenn die in § 3 Abs.1 BlnBauO bzw. § 3 Abs.1 BbgBauO vorgeschriebene Instandhaltung nicht ordnungsgemäß geschieht oder durch ihre Vernachlässigung Leben oder Gesundheit gefährdet werden. Eine Gefährdung für Leben oder Gesundheit liegt insbesondere bei drohendem Absturz von Mauerteilen vor (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 25. August 1998).

Voraussetzung für ein sofortiges Einschreiten der Bauaufsicht ist aber die behördliche Feststellung von Mängeln. Bei Sonderbauten soll die Behörde in der Regel alle fünf Jahre eine Sicherheitsüberprüfung durchführen, um Sicherheitsdefizite rechtzeitig zu erkennen und Schäden abzuwenden.

INKRAFTTRETEN VON „STRENGEREN“ BESTIMMUNGEN

Die zweite Fallgruppe umfasst Konstellationen, in denen neue technische Bestimmungen in Kraft getreten sind, die gegenüber den Normen, die bei der Genehmigung und Errichtung des Gebäudes gegolten haben, strengere Regelungen enthalten.

BESTANDSSCHUTZ ALS MÖGLICHE GRENZE

Der bauliche Zustand des Gebäudes entspricht hier nach wie vor den Anforderungen der ursprünglich erteilten Baugenehmigung. Daher ist zu fragen, ob einer bauaufsichtlichen Anordnung zur Modernisierung das Institut des Bestandsschutzes entgegengehalten werden kann. Einige Landesbauordnungen enthalten spezielle Regelungen, die die Behörden im Einzelfall berechtigen, nachträgliche Anforderungen zu stellen. Nach § 85 I 2 BlnBauO kann verlangt werden, dass rechtmäßig bestehende bauliche Anlagen angepasst werden, wenn dies zur Vermeidung einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, insbesondere von Leben oder Gesundheit, erforderlich ist.

Ähnliche Regelungen enthalten u. a. die Bauordnungen von Baden-Württemberg (§ 76 Abs.1 BadWürttBauO), Bayern (Art. 54 Abs.4 BayBauO), Brandenburg (§ 78 Abs. 1 BbgBauO), Bremen (§ 89 Abs.1 BremBauO), Nordrhein-Westfalen (§ 61 Abs.2 NWBauO und Hessen (§ 53 Abs.3 HessBauO). In allen Vorschriften darf eine nachträgliche Anordnung jedoch nur gestellt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit oder zur Abwehr von schweren Nachteilen für die Allgemeinheit erforderlich ist.

Eine solche Gefahr liegt nicht schon allein wegen einer Verschärfung bestimmter Sicherheitsstandards durch den Normgeber vor. Die Behörde muss vielmehr eine einzelfallbezogene Gefahrenanalyse durchführen, die zu dem Ergebnis führt, dass ein Schadenseintritt in überschaubarer Zukunft hinreichend wahrscheinlich ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, dürfen die Bauaufsichtsbehörden ausnahmsweise verlangen, dass das Gebäude baulich entsprechend den aktuellen Standards ertüchtigt werden muss. Eine solche bauaufsichtliche Anordnung ist als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gem. Art. 14 Abs.1 S.2 GG einzuordnen. Mithin kann ihr auch nicht das Institut des Bestandsschutzes entgegengehalten werden.

BETRACHTUNG VON BEISPIELSFÄLLEN

Als Beispiel sollen hier verschärfte Brandschutzvorschriften und die Problematik verbesserter technischer Standards für Parkhäuser betrachtet werden.

RECHTSPRECHUNG ZU BRANDSCHUTZAUFLAGEN

Die Nichteinhaltung geänderter Brandschutzvorschriften indiziert regelmäßig eine für eine nachträgliche Anordnung erforderliche konkrete Gefahr. Es sollen aber auch die konkreten Verhältnisse vor Ort bei der Gefahrenanalyse betrachtet werden. Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Gefahren für Leben oder Gesundheit ist maßgeblich für die Bestimmung von Art und Umfang der vom Eigentümer zu ergreifenden Maßnahmen.

VERBESSERTE TECHNISCHE STANDARDS

Die Bauaufsichtsbehörde kann nach dieser Rechtslage nachträgliche Anforderungen von den Betreibern bzw. Eigentümern von Parkhäusern verlangen, wenn neue technische Regelungen zu strengeren Anforderungen führen und objektiv die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bei den Nutzern des Parkhauses gegeben ist, wenn die Anpassung nicht erfolgt. Zu klären ist, ob sich aufgrund der Sonderbaueigenschaft der Parkhäuser Besonderheiten ergeben. Bei Sonderbauten besteht wegen der Größe der baulichen Anlage und der üblicherweise großen Anzahl wechselnder Nutzer ein besonderer Schutzauftrag des Staates.

Nach § 52 Abs.1 S.1 BlnBauO bzw. § 44 Abs.1 S.1 BbgBauO können im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Abs.1 BlnBauO bzw. § 3 Abs.1 BbgBauO besondere Anforderungen an Sonderbauten gestellt werden. Diese Anforderungen werden im Baugenehmigungsverfahren von Sonderbauverordnungen als abschließende Spezialregelungen konkretisiert. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Bauaufsicht hiernach besonderen Anforderungen und Erleichterungen nur bei der Errichtung und Änderung von Sonderbauten anordnen darf. Eine Modernisierungsanordnung bestehender Parkhäuser außerhalb eines förmlichen Baugenehmigungsverfahrens wird daher von § 52 BlnBauO, § 44 BbgBauO und den vergleichbaren Vorschriften der anderen Landesbauordnungen grundsätzlich nicht erfasst. Daher können diese auch nicht zum Erlass nachträglicher Anordnungen an bestehende Sonderbauten herangezogen werden. Die Bauaufsichtsbehörde muss folglich bei bestehenden Parkhäusern, die nicht Gegenstand eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens sind, auf die oben dargestellten Eingriffsnormen zurückgreifen, wenn und soweit deren Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen.

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