[] Droht der Arbeitgeber für den Fall, dass der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag nicht unterschreibt, eine außerordentliche Kündigung an, so kann hierin eine zur Anfechtung berechtigende widerrechtliche Drohung liegen.
Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber aufgrund konkreter Umstände im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Betracht ziehen durfte. Ob die Vorwürfe tatsächlich zutreffen, muss der Arbeitgeber dann nicht beweisen.
Problem
Aufhebungsverträge werden häufig als probates Mittel angesehen, um arbeitsrechtliche Problemstellungen zu umgehen. Wegen der Vertragsfreiheit können Parteien ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung von Fristen beenden. Außerdem gibt es für den Arbeitgeber Rechtssicherheit, da keine Kündigungsschutzklage droht. Auch eine fristlose Kündigung kann vermieden werden. Allerdings ist auch ein Aufhebungsvertrag nicht frei von Risiken, wie die nachfolgende Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 08. Dezember 2009 (- 2 Sa 223/09 -) zeigt.
Sachverhalt
Der Arbeitgeber betreibt ein Alten- und Pflegeheim. Die Klägerin war in diesem seit 1999 beschäftigt. Im Frühjahr 2008 wurden massive Vorwürfe gegen die Klägerin erhoben. Ihr wurde zur Last gelegt, dass sie Heimbewohner gewaltsam gefüttert habe; beim Zähneputzen soll sie Gewalt angewendet haben. Darüber hinaus wurde ihr zur Last gelegt, einzelnen Bewohnern Hämatome durch grobe Behandlung zugefügt zu haben. Außerdem soll sie Bewohner mit den Worten „Blöde Kuh" und „Stirb doch endlich!" beleidigt haben. Die Einrichtungsleitung befragte mehrere Pflegekräfte zu den Vorwürfen. Nachdem sich der Verdacht erhärtete, hörte der Arbeitgeber schließlich die Klägerin an, welche die Anschuldigungen bestritt. Gleichwohl gab der Arbeitgeber zu verstehen, dass er das Arbeitsverhältnis fristlos beenden wolle. Zur Vermeidung einer Kündigung bot er der Klägerin jedoch als Alternative den Abschluss eines Aufhebungsvertrags an. Diese stimmte schließlich zu. Zwei Tage später focht sie den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an. Sie begründete dies mit der Inaussichtstellung einer – aus ihrer Sicht – nicht gerechtfertigten außerordentlichen Kündigung.
Entscheidung
Die Klage der Arbeitnehmerin hatte keinen Erfolg. Zwar sei die Anfechtung grundsätzlich möglich, wenn der Arbeitnehmer die Unterschrift unter dem Eindruck einer Drohung abgegeben habe (§ 123 BGB). Widerrechtlich sei dies dann, wenn keine Umstände vorliegen, aufgrund derer der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Im konkreten Fall hat das LAG die Voraussetzungen einer Anfechtung verneint. Denn die Vorwürfe gegen die Pflegekraft seien derart massiv gewesen, dass mit einer fristlosen Kündigung hätte reagiert werden dürfen. Zudem habe der Arbeitgeber nicht nur auf Mutmaßungen vertraut, sondern sich detailliert erkundigt. Im Prozess musste deswegen nicht noch bewiesen werden, ob die Vorwürfe tatsächlich zutrafen.
Anmerkung
Der aktuelle Fall zeigt, dass ein Aufhebungsvertrag Chancen, aber auch Risiken birgt. Die Risiken liegen zunächst darin, dass der Arbeitgeber nicht aufgrund vager Vermutungen eine Kündigung androhen darf und in diesem Zusammenhang einen Aufhebungsvertrag anbietet. Denn in einem solchen Fall ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Anfechtung hoch. Chancen bieten gleichwohl die Besonderheiten des Prozessrechts. Denn in einem Kündigungsschutzverfahren muss der Arbeitgeber im Einzelnen darlegen, dass die Kündigung rechtmäßig ist. Im Anfechtungsprozess ist es zunächst Sache des Arbeitnehmers, nachvollziehbar aufzuzeigen, dass er tatsächlich unter dem Eindruck einer widerrechtlichen Drohung gehandelt hat. Erst im zweiten Schritt muss dann der Arbeitgeber ausführlich erläutern, warum er ernsthaft eine Kündigung in Erwägung ziehen durfte. Es sollte bedacht werden, dass die Anfechtungsfrist ein Jahr beträgt. Vor diesem Hintergrund besteht immer ein gewisses Restrisiko. Außerdem bedarf ein Aufhebungsvertrag der Schriftform (§ 623 BGB). Möglich ist überdies die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Dies kommt zum Beispiel in Betracht, wenn arbeitgeberseitig bewusst falsche Auskünfte über sozialversicherungsrechtliche Aspekte (z.B. Sperrzeit) abgegeben werden. Vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags sollte dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden, die Folgen abzuschätzen. Sicherer ist es, wenn der Arbeitnehmer ein oder zwei Nächte nachdenken kann. Vorsichtig ist jedoch geboten bei fristlosen Kündigungen (§ 626 Abs. 2 BGB): Hier darf die 2-Wochen-Frist nicht aus den Augen verloren werden! Überdies ist zu bedenken, dass gegebenenfalls der Betriebsrat angehört werden muss, wenn es nicht zum Aufhebungsvertrag kommt. Sicherheitshalber sollte dies parallel weiterverfolgt werden.