Einführung
Der Bundesgerichtshof hat mit zwei Urteilen vom 07. Juli 2016 (I ZR 30/15 und I ZR 68/15) entschieden, dass ein per E-Mail bzw. telefonisch geschlossener Grundstücksmaklervertrag ein Fernabsatzgeschäft im Sinne von § 312b BGB aF (d. h. in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung) ist. Nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB aF steht einem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht zu. Fernabsatzverträge sind dabei Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Was war passiert?
In beiden Verfahren wurde der Beklagte vom klagenden Makler auf Zahlung einer Maklerprovision in Anspruch genommen. Die Makler hatten jeweils im Internet ein Grundstück zum Verkauf beworben. Auf Anfrage der Beklagten wurde diesen dann individuell per E-Mail ein Exposé zur Immobilie übersandt, in denen jeweils auf die vom Käufer zu zahlende Maklerprovision hingewiesen wurde. Eine Widerrufsbelehrung fand sich in diesen Exposés jedoch nicht. In dem einen Fall bestätigte der Beklagte daraufhin telefonisch den Eingang des Exposés und bat um einen Besichtigungstermin, in dem anderen Fall erfolgte die Bestätigung per E-Mail, wobei der betreffende Beklagte ebenfalls um einen Besichtigungstermin bat. In beiden Fällen kam es dann nach erfolgten Besichtigungsterminen zum Abschluss des Grundstücksgeschäftes. Die jeweiligen Kläger beanspruchten jeweils von den Beklagten eine Maklerprovision in der im betreffenden Exposé angegebenen Höhe. Die Beklagten verweigerten jedoch die Zahlung der Provision und widerriefen im Laufe des Rechtsstreites den jeweiligen Maklervertrag.
Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
In beiden Verfahren entschied der Bundesgerichtshof, dass die abgeschlossenen Maklerverträge als Fernabsatzverträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von § 312b Abs. 1 S. 1 BGB aF zu qualifizieren sind und daher jeweils ein Widerrufsrecht bestand. Da in beiden Fällen die Beklagten auch nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden, konnten sie auch noch im Prozess die Maklerverträge widerrufen. Denn das Widerrufsrecht der Beklagten war zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung jeweils noch nicht erloschen.
Zum einen setzt § 312d Abs. 3 BGB aF für ein Erlöschen des Widerrufsrechts voraus, dass bei einer Dienstleistung der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt worden ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat. Zum anderen muss der Widerruf vor Ablauf des in der Übergangsregelung des Art. 229 § 32 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB genannten Stichtags 27. Juni 2015 erklärt werden. Diese Voraussetzungen lagen in beiden Fällen gerade nicht vor. Die jeweiligen Beklagten hatten die Provision nämlich vor der Erklärung des Widerrufs noch nicht bezahlt, sodass die zugrundeliegenden Dienstleistungsverträge noch nicht vollständig erfüllt waren.
Auch ein Anspruch auf Wertersatz schied in beiden Verfahren aus, da die Beklagten weder vor Abgabe ihrer Annahmeerklärung darauf hingewiesen wurden, dass ein Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach der Vorschrift über den gesetzlichen Rücktritt zu leisten ist, noch zugestimmt hatten, dass der Makler vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidungen betreffen Maklerverträge, die bis zum 12. Juni 2014 abgeschlossen wurden. Soweit aus dieser Zeit noch offene Courtageforderungen bestehen, sollte vor einer gerichtlichen Geltendmachung genau geprüft werden, ob (i) der Vertragspartner Verbraucher ist und (ii) er bis zum 27. Juni 2015 einen Widerruf erklärt hat. Liegt ein solcher Widerruf vor, ist dessen Wirksamkeit u. a. mit Blick auf eine etwaige ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu prüfen.