Leitsatz
Der Betriebsrat hat bei der Zuordnung zu einem Dienstplan auch dann ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, wenn es sich um eine Ersteinstellung handelt. Die Mitbestimmung aus § 87 BetrVG ist unabhängig vom Verfahren nach § 99 BetrVG.
Sachverhalt
Der Arbeitgeber hat regelmäßig zum Jahresende einen starken Auftragsanstieg. Wie auch in den Vorjahren deckte der Arbeitgeber den erhöhten Personalbedarf mit befristeten Einstellungen und Leiharbeitnehmern. Er hörte hierzu den Betriebsrat nach § 99 BetrVG an. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu den Einstellungen, woraufhin der Arbeitgeber die Arbeitnehmer wegen Eilbedürftigkeit gemäß § 100 BetrVG vorläufig einsetzte. Zeitgleich verwies der Betriebsrat auf die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Er forderte die Mitbestimmung bei der Zuordnung zu den Dienstplänen. Im Zuge der Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht stellte der Betriebsrat den Antrag, dass der Arbeitgeber neu eingestellte Arbeitnehmer so lange nicht beschäftigen dürfe, bis Einvernehmen im Hinblick auf die Arbeitszeit bzw. den Dienstplan herbeigeführt worden sei.
Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Betriebsrat in einer Reihe von Entscheidungen in letzter Instanz statt (Hinweis: Der Verfasser war als Prozessbevollmächtigter beteiligt, u. a. Beschluss vom 22. August 2017, 1 ABR 3/16). Die schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Das Gericht führte im Prozess aus, dass die Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 BetrVG selbstständig neben der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG stehe. Die Zustimmung zur Einstellung entbinde den Arbeitgeber daher nicht, auch die Zustimmung zur Verteilung der Arbeitszeit (durch Zuordnung zu einem Dienstplan) einzuholen. Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kann dazu führen, dass neue Arbeitnehmer bis zu Einigung über die Arbeitszeit nicht im Unternehmen eingesetzt werden dürfen. Dem Betriebsrat steht insoweit ein Unterlassungsanspruch zu. Sollte der Arbeit-geber hiergegen verstoßen, droht die Zahlung eines Ordnungsgeldes.
Stellungnahme
Die Entscheidung des BAG ist mit Spannung erwartet worden. Für Betriebe mit Schichtarbeit ist diese von erheblicher Bedeutung. Bislang gab es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verhältnis des § 87 zu § 99 BetrVG. Bislang ist lediglich durch das LAG Nürnberg und in der Literatur vertreten worden, dass die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Ersteinstellung nach § 99 BetrVG nicht greift. Dieser Auffassung ist das BAG nunmehr entgegengetreten. Die Entscheidung vermag m. E. nicht zu überzeugen. Denn über § 87 BetrVG kann das Verfahren nach § 99, 100 BetrVG ausgehebelt werden. Gerade bei befristeten Einstellungen kann dies faktisch zu einem Personaleinsatzverbot führen. Ob dies vom Gesetzgeber so beabsichtigt war, ist fraglich. Die Praxis wird sich allerdings auf die neue Rechtsprechung einzustellen haben. Um nachteilige Folgen für die Beschäftigung abzuwenden, kommen drei Möglichkeiten in Betracht:
– Bildung einer ständigen Einigungsstelle (§ 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG): Diese kann zeitnah zusammentreten, wenn bei der Einstellung ein Dissens über die Zuordnung zum Dienstplan besteht.
– Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit: Darin sollte geregelt sein, dass der Arbeitgeber bei der erstmaligen Einstellung befugt ist, einen Arbeitnehmer in einem mitbestimmten Dienstplan einzusetzen. Eine solche Verfahrensregelung ist ideal, da dann kein Risiko für eine – u. U. rechtsmissbräuchliche (!) – Zustimmungsverweigerung besteht.
– „Kombinierte Beteiligung“ des Betriebsrats nach § 87 und § 99 BetrVG bei der Einstellung: Im Einstellungsformular sollte zugleich über die beabsichtigte Arbeitszeit (d. h. Zuordnung zum Dienstplan) unterrichtet werden. Hier besteht aber immer noch das Risiko, dass zwar der Einstellung, nicht aber der Arbeitszeit zugestimmt wird (mit der Folge eines temporären Beschäftigungsverbots).