Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hat die Republik in Atem gehalten und sich als Zerreißprobe für die Ampelkoalition erwiesen. Nachdem die wesentlichen politischen Streitpunkte zu den Geltungszeitpunkten sowie Kostenverteilungen aus dem Weg geräumt waren, stoppte das Bundesverfassungsgericht das Gesetzgebungsverfahren in letzter Sekunde noch vor der Sommerpause: Den Bundestagsabgeordneten wurde zu wenig Zeit eingeräumt, um sich mit dem umfangreichen Gesetzesentwurf auseinanderzusetzen. Eine Bewertung des Inhalts enthielt der Beschluss nicht.
Nun passierte das Gesetz den Bundestag, der Bundesrat erhob keinen Einspruch – entgegen erheblicher Widerstände der Oppositionsparteien. Trotz inhaltlicher Kritik an der Novelle, insbesondere dem Bürokratieaufwand und der finanziellen Belastung der Bürger, sind sich bei einer Sache wohl die meisten einig: Aufgrund der Bedeutung des Gebäudesektors – Platz 4 der höchsten CO2-Emissionen in Deutschland – ist die Energiewende ohne eine „Heizungswende“ nicht möglich.
In diesem Legal Update beleuchten wir die Neuerungen und Änderungen, die die aktuelle Gesetzesnovelle des GEG (GEG n.F.) mit sich bringt, allen voran die verpflichtende Quote für erneuerbare Energien (EE) für Heizungssysteme in Neubauten in Neubaugebieten. Zudem geben wir einen Überblick über Ausnahmen und Erfüllungsoptionen dieser Pflicht und die zahlreichen Geltungsfristen. Schließlich ordnen wir das Vorhaben in den energiepolitischen Gesamtzusammenhang ein.
Mindestens 65 % erneuerbare Energien bei Neuheizungen
Kern- und Ausgangspunkt der Novelle ist die Pflicht, für neu eingebaute Heizungen mindestens 65 % EE zu nutzen, § 71 Abs. 1 GEG n.F. Regelungstechnisch handelt es sich dabei um ein Verbot, von dem Ausnahmen zugelassen werden. Diese Pflicht löst einen bisher in §§ 34 - 45 GEG 2023 geregelten Mindestanteil von grundsätzlich 15 % EE ab. Diese deutliche Anhebung der Quote ist erforderlich, um die gesetzlich verankerte Klimaneutralität bis 2045 möglich zu machen.
Erfüllungsoptionen
Erneuerbare Energien
Was EE in diesem Sinne sind, ist bereits in § 3 Abs. 2 GEG 2023 geregelt: Geothermie, Umwelt- oder Biomassewärme sowie Solar- und Windenergie. Dazu treten nun die aus grünem Wasserstoff und aus dem Erdboden oder Wasser gewonnene Wärme, § 3 Abs. 2 Nr. 6 und Nr. 7 GEG n.F.
Blauer Wasserstoff
Neu aufgenommen wird auch sog. blauer Wasserstoff, § 3 Abs. 1 Nr. 4a GEG n.F. Er gilt zwar nicht als EE, kann jedoch als alternative Erfüllungsoption zur Erreichung der 65 %-EE-Pflicht beitragen. Um den Wechsel von Gas- und Ölheizungen hin zu klimafreundlicheren Heizungen zu erreichen und regionale Unterschiede angemessen zu berücksichtigen, genügen zahlreiche Energieträger, die sonst nicht ohne Weiteres als erneuerbar einzustufen wären.
Diese Tendenz wurde infolge von Forderungen nach mehr Technologieoffenheit im Gesetzgebungsverfahren noch verstärkt, sodass nun etwa auch mit Holz und Pellets betriebene Heizungen die 65 %-EE-Pflicht erfüllen. Bei jeder Technologiekombination ist ein rechnerischer Nachweis über die Erreichung der avisierten 65 % zu erbringen.
Beginn und Übergangsfristen
Grundsätzlich 01.01.2024
Der Grundsatz, Heizungen mit einer 65 % EE-Quote einzubauen gilt mit dem Inkrafttreten des GEG n.F. am 01.01.2024. Diese Frist war einer der Hauptstreitpunkte im Gesetzgebungsverfahren und führte zur Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung.
Gekoppelt: Kommunale Wärmeplanung
Die zeitliche Geltung der 65 %-EE-Pflicht wird an die kommunale Wärmeplanung gekoppelt. Am 29.09.2023 hat der Bundesrat über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze beraten. Das Gesetz soll zum 01.01.2024 zeitgleich mit dem GEG n.F. in Kraft treten. Dazu kündigen wir ein Legal Update an, welches sich der kommunalen Wärmeplanung als „Wärmewende Teil 2“ zuwendet.
Ein kurzer Exkurs: Der Begriff der kommunalen Wärmeplanung bezeichnet den langfristigen und strategisch angelegten Prozess weitgehend klimaneutraler Wärmeversorgung der Kommun. Nur einige wenige Bundesländer haben bereits Gesetze mit einer entsprechenden Verpflichtung der Kommunen zur Wärmeplanung erlassen. Der gesetzliche Status quo zur Wärmeplanung ist dabei wegweisend für die Umsetzungsfristen nach dem neuen GEG:
Hat die Kommune bereits ihre Wärmeplanung vorgenommen, ist einerseits maßgeblich, ob diese Planung ein klimaneutrales Gasnetz vorsieht und andererseits, mit welchen Energieträgern eine Gasheizung betrieben werden kann. Da bisher aber nur verschwindend wenige Kommunen ihre Wärmeplanung abgeschlossen haben, dürfte diese Variante erst in einigen Jahren flächendeckend relevant werden. Die Wärmeplanungen müssen in größeren Gemeinden (über 100.000 Einwohner) bis zum 30.06.2026 und in mittleren Gemeinden bis zum 30.06.2028 vorliegen. Nun ist auch für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern eine Pflicht vorgesehen. Für sie soll aber die Option bestehen, ein vereinfachtes Wärmeplanungsverfahren durchzuführen.
Anknüpfend an den Fahrplan für die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung sind in § 71 Abs. 8 GEG n.F. zwei Übergangsfristen für die 65 %-EE-Pflicht in Bestandsgebäuden vorgesehen: für größere Gemeinden gilt diese erst ab Juli 2026, für mittlere Gemeinden erst ab Juli 2028.
Das bedeutet wiederum für den – wohl sehr häufigen – Fall, dass noch keine kommunale Wärmeplanung vorliegt: Die 65 %-EE-Pflicht für den Austausch bestehender Heizungen gilt noch nicht. Auch Gasheizungen dürfen weiterhin eingebaut werden, sofern sie auf Wasserstoff umrüstbar sind, also „H2-ready“ sind und vor Ort ein verbindlicher Plan für die Wasserstoffinfrastruktur besteht. Allerdings sind diese wasserstoffbereiten Heizungen bislang am Markt noch nicht in Massenserien verfügbar, die Bedeutung dieser Option also momentan eher gering.
Allein für Neubauten in Neubaugebieten greift die 65 %-EE-Pflicht ab 01.01.2024.
Weitere Verlängerungen der Umsetzungsfristen
Darüber hinaus soll es weitere Ausnahmefälle geben, nach denen die 65 %-EE-Pflicht wiederum erst später greifen kann. Insbesondere sind dies die Fälle eines Heizungstausches, eines Neu- und Ausbaus eines Wärmenetzes, einer H2-ready Gasheizung sowie einer Etagenheizung oder Einzelraumfeuerungsanlage. Auch die hierfür maßgeblichen Zeiträume wurden auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal angehoben, häufig von drei auf fünf Jahre.
Der Ausnahmefall der Havarie – die Heizung kann nicht mehr bestimmungsgemäß betrieben und nicht mehr repariert werden – wurde im Gesetzgebungsverfahren als solcher gestrichen. Stattdessen gilt eine erweiterte allgemeine fünfjährige Übergangsfrist, die auch im Havariefall greifen kann.
Werden zukünftig fossile Heizungen neu installiert, muss die H2-Readiness stufenweise bestimmte Beimischungsquoten von grünem oder blauem Wasserstoff beziehungsweise Biomethan aufweisen: ab dem Jahr 2029 15 %, ab 2035 und 2040 jeweils verdoppelt. Außerdem muss eine fachgerechte Beratung erfolgen, sofern sich ein Letztverbraucher eine Öl- oder Gasheizung einbauen lässt.
Härtefallklauseln
Neben die zahlreichen zeitlichen Erleichterungen tritt eine sog. Härtefallklausel. Eine allgemeine Härtefallklausel ist bereits in § 102 Abs. 1 GEG 2023 geregelt. Voraussetzung ist eine unbillige Härte, die vorliegt, wenn sich die erforderlichen Aufwendungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums voraussichtlich nicht amortisieren werden. Diese Klausel wird durch die Novelle einerseits dahingehend erweitert, dass eine unbillige Härte auch dann vorliegt, wenn die notwendigen Investitionen nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Gebäudes stehen, oder besondere persönliche Umstände (z.B. Pflegebedürftigkeit) eine Unzumutbarkeit begründen. Andererseits können auch Eigentümer, die einkommensabhängige Sozialleistungen beziehen, sich für 12 Monate befreien lassen. Rechtsfolge der Regelung ist, dass auf Antrag die zuständige Behörde von den meisten Anforderungen des GEG – also insbesondere der 65 %-EE-Pflicht – befreien muss.
Die ursprünglich geplante Ausnahmeregelung für Bürgerinnen und Bürger ab 80 Jahren wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahren gestrichen.
Kostenverteilung und finanzielle Förderung
Um dieses Mammutprojekt „Heizungswende“ zu bewältigen, sind verschiedene Förderungsmöglichkeiten vorgesehen. Die Verteilung der Kostentragung zwischen Vermietern und Mietern ist dabei auf großes Echo in der Branche gestoßen.
Die Förderung nach der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) umfasst eine Sockelförderung in Höhe von 30 % für alle Gebäudeeigentümer, die ihre Gas- oder Ölheizung austauschen lassen. Hinzu kommen zwei Förderungsmodelle: Weitere 30 % Förderung für Menschen unter EUR 40.000 zu versteuerndem Jahreseinkommen. Wer noch vor der fertiggestellten Wärmeplanung in einer Kommune seine Heizung austauscht, soll einen Klima-Geschwindigkeitsbonus von bis zu 20 % erhalten. Insgesamt sollen die 70 % bzw. EUR 30.000 aber nicht überschritten werden. Die entsprechende Überarbeitung der BEG wird momentan noch innerhalb der Regierung abgestimmt. Sie soll aber zeitgleich mit der GEG-Novelle starten und insbesondere deren Regel-Ausnahme-Verhältnis spiegeln.
Daneben gewährt die KfW Ergänzungskredite. Für diese sind bis zu einem Jahreshaushaltseinkommen von EUR 90.000 niedrigere Zinsen zu entrichten. Nach wie vor werden Zuschüsse von 15 - 20 % der Investitionskosten angeboten.
Durch Änderungen im Gesetzgebungsverfahren fällt die Belastung für Mieter geringer aus: Die Modernisierungsumlage kann beim Heizungstausch von 8 % auf 10 % im Jahr erhöht werden – aber nur, wenn der Vermieter eine staatliche Förderung in Anspruch nimmt. Zudem ist der Förderungsbetrag von den umlegbaren Modernisierungskosten abzuziehen. Zugleich gilt eine Kappungsgrenze: Die Jahresmiete darf sich durch eine neue Heizung innerhalb von sechs Jahren nicht um mehr als EUR 0,50 je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. Kommen weitere Modernisierungsmaßnahmen hinzu, können es wie bisher EUR 2 bis 3 werden. Die Position der Mieterinnen und Mieter wurde auch insoweit gestärkt, als dass ihnen nun bei jeder modernisierungsbedingten Mieterhöhung die Berufung auf die Härtefallklausel gem. § 559 Abs. 4 BGB offensteht.
Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudesektor
Flankierend werden an verschiedenen Stellen des Gesetzesentwurfes kleinere Änderungen vorgenommen, die die Energieeffizienz erhöhen sollen. So werden neue Vorgaben zur Betriebsprüfung von Wärmepumpen, zu Heizungsprüfung und -optimierung sowie zum hydraulischen Abgleich gemacht. In der Novelle wird überdies festgelegt, dass Effizienzmaßnahmen generell im überragenden öffentlichen Interesse liegen und damit die Stellung eines vorrangigen Belangs einnehmen.
Ausblick
Es geht um viel: Mehr als ein Drittel des bundesweiten Energiebedarfs entfällt auf das Heizen und Warmwasser. Mit dieser GEG-Novelle soll einer der Grundbausteine zum Erreichen der Klimaziele gelegt werden. Vor diesem Hintergrund ergibt auch die Verknüpfung von GEG und kommunaler Wärmeplanung inhaltlich durchaus Sinn. Der dadurch entstandene Flickenteppich an Geltungszeitpunkten wird aber nicht unbedingt zur Planbarkeit und Anreizsetzung im Markt beitragen. Das ursprünglich ambitionierte Vorhaben ist insbesondere aufgrund der Geltungszeitpunkte deutlich zahmer geworden. Ob dadurch wirklich ein ausschlaggebender Beitrag zum Emissionsreduzierung geleistet werden kann, bleibt fraglich.
Ferner wird die finanzielle Belastung der Beteiligten zum Dreh- und Angelpunkt der Novelle – und was des einen Freud, ist des andren Leid: Die Erhöhung des Mieterschutzes führt spiegelbildlich zu einer begrenzten Umlagefähigkeit der Modernisierungskosten für Vermieterinnen und Vermieter. Für diese stellt der Heizungsaustausch daher eine ungleiche Kostenbelastung dar. Abhilfe können unter anderem Bundesförderungen schaffen – das neue, notwendige Förderprogramm kommt.