Das neue TSVG – Verschärfung der Gründungsvoraussetzungen für MVZ

Hamburg, 29.11.2018

Dr. John-Patrick Bischoff, LL.M.

Im laufenden Gesetzgebungsprozess zum neuen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hat der Gesundheitsausschuss des Bundesrates mit der Veröffentlichung der Empfehlung vom 9. November 2018 (BR-Drs. 504/1/18) vorgeschlagen, die MVZ-Gründungsberechtigung weiter zu regulieren. In seiner Empfehlung setzte sich der Gesundheitsausschuss unter anderem dafür ein, die Voraussetzungen für die Gründung eines MVZ durch zugelassene Krankenhäuser wesentlich zu verschärfen. Diese Empfehlungen wurden vom Bundesrat wortgleich in den Nummern 15 ff. des Beschlusses vom 23. November 2018 (BR-Drs. 504/18) übernommen. Nachfolgend wird der auf die Empfehlung des Gesundheitsausschusses zurückgehende Vorschlag des Bundesrates, die Gründung von MVZ durch Krankenhäuser nur in demselben Planungsbereich zuzulassen, erläutert und kommentiert.

I. Änderungsvorschläge im Beschluss des Bundesrates

Der Bundesrat ist in seinem Beschluss der Empfehlung des Gesundheitsausschusses gefolgt und hat in den Nummern 15 ff. des Beschlusses die MVZ-Gründungsfähigkeit durch Krankenhäuser adressiert. Dabei bezieht sich der Bundesrat auf Artikel 1 Nummer 52 des Gesetzesentwurfs des TSVG, welcher den § 95 Abs. 1a SGB V abändern soll. Nach Nr. 16 des Beschlusses soll dieser dahingehend geändert werden, dass „Krankenhäuser […] zur Gründung von medizinischen Versorgungszentren nur berechtigt [sind], wenn der Krankenhausstandort innerhalb des entsprechenden Planungsbereichs liegt, in dem das medizinische Versorgungszentrum seinen Sitz haben soll, oder es in einem Gebiet liegt, für das der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen hat und das Krankenhaus nach der Feststellung im Krankenhausplan einen Versorgungsauftrag in den Fachgebieten hat, die im medizinischen Versorgungszentrum vertreten sein sollen.“

Dies bedeutet praktisch, dass ein zugelassenes Krankenhaus künftig ein MVZ nur noch dann gründen und betreiben kann, wenn das Krankenhaus und das MVZ ihren Sitz in demselben Planungsbereich haben. Eine Ausnahme hiervon soll nur möglich sein, wenn durch die MVZ-Gründung eine Unterversorgung verhindert werden kann, allerdings nur für den Fall, dass das Krankenhaus einen Versorgungsauftrag im Fachgebiet des geplanten MVZ hat.

Ausweislich der Begründung des Beschlusses sollen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen in Form von räumlichen und fachlichen Beschränkungen die Versorgungssituation in strukturschwachen Regionen stärken. Damit eine flächendeckende Versorgung sichergestellt bleibe, hätten Krankenhausträger Einschränkungen in der Standortwahl sowie beim fachlichen Bezug hinzunehmen.

II. Bewertung des Beschlusses des Bundesrates

Eines wird nach der Lektüre der Stellungnahme zum Gesetzesentwurf klar: Sollten die vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich Eingang in die finale Gesetzesfassung finden, würde die Gründung von MVZen deutlich erschwert. Bei einer Beschränkung der Gründungsberechtigung auf denselben Planungsbereich würde sich die Auswahl von abgabewilligen Praxiseigentümern hinsichtlich potentieller Beteiligungspartner im Krankenhausbereich monopolartig auf vor Ort ansässige Krankenhäuser reduzieren. Dies steht im Gegensatz zu dem laut Einleitungstext des TSVG-Entwurfes selbst erklärten Ziel des Gesetzgebers, „die Attraktivität der medizinischen Versorgungszentren zu erhalten“ und befördert eigentlich unerwünschte Marktkonzentrationen.

Bemerkenswert ist, dass die vorgeschlagenen Änderungen nach Ansicht des Bundesrates unter anderem erforderlich sind, um die Versorgungssituation in ländlichen Regionen zu verbessern. Dieses Ziel kann durch die vorgeschlagenen Änderungen offensichtlich nicht erreicht werden.

Die ambulante Versorgung ist auf laufende Investitionen angewiesen, um eine fachgerechte Versorgung der Patienten auf dem neuesten medizinischen Stand gewährleisten zu können. Solche Investitionen können vorrangig durch private Betreiber geleistet werden. Dies zeigt deutlich, dass die Übernahme von Krankenhäusern durch private Investoren positive Effekte auf die medizinische Versorgung haben kann. Mit den Änderungsvorschlägen des Bundesrates könnten diese positiven Effekte jedoch in Zukunft nicht mehr voll ausgeschöpft werden. Es ist somit zu befürchten, dass die Einschränkung der Gründungsberechtigung von MVZ durch Krankenhäuser die medizinische Versorgung langfristig verschlechtern wird.

Darüber hinaus setzt der Bundesrat eine große Entfernung des Krankenhausstandortes zum Sitz des MVZ mit einer Verschlechterung der Patientenversorgung gleich. Dies ist wenig überzeugend. In der Realität ist die Alternative zur Kooperation mit einem privaten Betreiber häufig, dass medizinische Einrichtungen auf dem Land mangels Nachfolge nicht fortgeführt werden können. In einem solchen Fall wäre es die bessere Alternative, zumindest durch ein MVZ, welches von einem privaten Betreiber unterhalten wird, die medizinische Versorgung vor Ort sicherzustellen, unabhängig davon, in welchem Planungsbereich das Krankenhaus seinen Sitz hat bzw. in welchem Fachgebiet das Krankenhaus seine Zulassung hat. Zudem bleibt unberücksichtigt, dass ein von privaten Betreibern finanziertes MVZ nur dauerhaft Erfolg haben kann, wenn die hohe Qualität der medizinischen Leistung an erster Stelle steht und zwar unabhängig davon, ob sich das Krankenhaus in räumlicher Nähe befindet oder nicht. Somit stehen auch bei großer räumlicher Entfernung zum MVZ Versorgungsgesichtspunkte stets im Vordergrund, sodass private Betreiber und Praxen insofern dieselben Ziele verfolgen. Ein räumlicher Bezug des Krankenhauses zum Versorgungsauftrag des MVZ lässt auch keinen Rückschluss auf die Qualität der vor Ort erbrachten medizinischen Leistung zu, für die unverändert die vor Ort angestellten Fachärzte verantwortlich sind.

Das Anknüpfen an Planungsbereiche für die Gründereigenschaft benachteiligt auch überörtliche Strukturen, wie z.B. KV-übergreifende Gemeinschaftspraxen, die in mehreren Planungsbereichen Praxisstandorte haben. Künftig könnten diese nicht mehr von einem Krankenhaus betrieben werden, da nach der Neuregelung ein zugelassenes Krankenhaus in jedem Planungsbereich erforderlich wäre.

III. Fazit

Damit MVZ auch zukünftig einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Versorgung in einem sich ändernden Marktumfeld leisten können, bedarf es bereits nach aktueller Gesetzeslage einer Reduzierung von regulatorischen Vorgaben. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen führen zu dem Gegenteil. Zwar ist das TSVG im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, der Beschluss des Bundesrates setzt jedoch Impulse für das weitere Gesetzgebungsverfahren. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, inwieweit die Vorschläge des Bundesrates in der finalen Version des TSVG Berücksichtigung finden werden. Krankenhausträger und Gemeinschaftspraxen, die eine Kooperation in Erwägung ziehen, müssen die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsprozesses beobachten, da die vorgeschlagenen Änderungen die Möglichkeiten zur Gründung und dem Erwerb eines MVZ wesentlich beeinträchtigen.

 

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