[Berlin, ] Eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren nach § 62 FamFG vor dem Landgericht Köln deuten darauf hin, dass das Betrachten von Videos im Internet über Streams der geltenden Rechtslage nicht widerspricht und nach Auffassung des Gerichts keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Insoweit können Nutzer kaum erfolgreich abgemahnt werden. Dies gilt für Seiten mit erotischen Inhalten gleichermaßen wie für alle anderen Videos, die per Internet über Streams betrachtet werden können.
Hintergrund der Beschwerde
Eine Kanzlei, beauftragt durch das Unternehmen „The Archive AG“, hatte Ende des vergangenen Jahres über 10.000 Internetnutzer auf dem Postweg abgemahnt. Den Adressaten der Abmahnungen wurde vorgeworfen, urheberrechtlich geschützte Filme, z.B. „Amanda’s Secret“ über das Portal www.redtube.com heruntergeladen zu haben. Die Abgemahnten wurden aufgefordert, 250,00 Euro zu zahlen und zudem eine Unterlassungs-erklärung abzugeben.
Die Abmahnungen waren möglich, nachdem das Landgericht Köln 62 von 89 Anträgen nach § 101 Abs. 9 UrhG stattgegeben hatte, wonach von den Providern die Daten von zahlreichen Internetnutzern aufgrund der vorgelegten IP-Adressen herauszugeben waren.
Gegen einen bzw. mehrere Beschlüsse des Landgerichts Köln hinsichtlich der Auskunftserteilung sind – neben anderen rechtlichen Schritten – teilweise schon erfolgreich Beschwerdeverfahren nach § 62 FamFG eingeleitet worden. Die Gründe eines Beschlusses sind anonymisiert im Internet unter http://www.lg-koeln.nrw.de/presse/Pressemitteilungen/ nachzulesen.
Auskunft nach § 101 Abs. 9 UhrG
Die Beschlüsse des Landgerichts Köln, mit dem die Auskunftsanträge positive beschieden wurden, wurden schon kurz nach deren Bekanntwerden inhaltlich aus unterschiedlichen Gründen stark kritisiert:
Zum einen, so wurde bekannt, seien die Anträge missverständlich formuliert worden. Es sei der Anschein erweckt worden, dass es sich um Fälle von „Download“ oder „Filesharing“ gehandelt habe und nicht um das (urheberrechtlich wohl anders zu beurteilende) Streaming. Zum anderen sei aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar, wie die IP-Adressen ordnungsgemäß ermittelt worden sein sollen.
Diese Fragen sind nunmehr auch Kerngegenstand des Beschlusses nach § 62 FamFG, in dem die Rechtmäßigkeit des dem Auskunftsantrag stattgebenden Beschlusses geprüft wird.
Fehlerhafte Entscheidung über den Auskunfts-anspruch
Das Landgericht Köln hat im Einklang mit den kritischen Stimmen entschieden, dass der Beschwerdeführer „durch die gestattete Auskunftserteilung in seinen Rechten aus Art. 10 GG verletzt worden [ist], weil die Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage und unter Berücksichtigung der nach Erlass der Entscheidung bekanntgewordenen Umstände nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden sind“.
Keine offensichtliche Rechtsverletzung
Das Gericht stützt seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass es an einer „offensichtlichen Rechtverletzung“ fehlt, die Voraussetzung von § 101 Abs. 9 UrhG ist.
Eine solche liegt vor, wenn eine ungerechtfertigte Belastung des Dritten ausgeschlossen erscheint. Zweifel in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht schließen die Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung aus. Zweifel sieht das Gericht nach nochmaliger Prüfung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht: Angeführt werden dabei sowohl die rechtlich streitige Bewertung des Streaming, das fehlerhafterweise nicht als solches eingeordnet worden war, als auch die tatsächliche Frage, ob die IP-Adressen rechtmäßig erlangt wurden.
Streaming urherrechtlich irrelevant?
Bislang ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, wie das Streaming im Kontext von Urheberrechtsverletzungen einzuordnen ist.
Es besteht Einigkeit, dass ein Download mit einer dauerhaften Speicherung den Urheber in seinem Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG verletzt. Im Fall des Streaming erfolgt demgegenüber lediglich eine Zwischenspeicherung im Arbeitsspeicher. Diese ist für den Abspielvorgang technisch erforderlich und wird durch § 44a Nr. 2 UrhG gerechtfertigt als lediglich vorübergehende Speicherung, die für die Nutzung erforderlich ist. Dieser Ansicht schließt sich auch das Landgericht an – mit dem Verweis darauf, dass die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt sei.
Ausblick
Eine höchstrichterliche Entscheidung bleibt abzuwarten. Es ist jedoch anlässlich der Aktualität des Themas „Streaming“ durchaus damit zu rechnen, dass eine solche zeitnah forciert wird. Es spricht einiges dafür, dass das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung gehalten wird und gerade nicht mit einem Download gleichzustellen ist. Dies entspricht der Auffassung der Mehrheit in der Literatur; Gerichte neigen mehrheitlich ebenfalls hierzu und auch das Bundesjustizministerium vertritt diese Ansicht in der Antwort auf eine kleine Anfrage im Deutschen Bundestag.
In jedem Fall ist in entsprechenden Situationen eine anwaltliche Beratung sinnvoll, um darauf rechtlich adäquat reagieren zu können und damit Kosten zu sparen.