[] Nachdem am 22. Oktober 2009 vor dem Oberlandesgericht Naumburg zwei Beschwerdeverfahren verhandelt und am 5. November 2009 im Beschlusswege entschieden wurden, verhandelte am 19. November 2009 der Kartellsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes sechs Beschwerdeverfahren von Strom- und Gasnetzbetreibern. Eine weitere Beschwerde war unmittelbar vor dem Verhandlungstermin zurückgenommen worden.
Allen Beschwerdeführern waren bestandskräftige Genehmigungen der Netzentgelte befristet bis zum 31. Dezember 2008 erteilt worden. Alle Beschwerdeführer hatten sich ferner für eine Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 Anreizregulierungsverordnung (nachstehend ARegV) entschieden. Angegriffen wurden von ihnen:
(1) Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze (§ 6 ARegV i. V. m. § 34 Abs. 3 ARegV)
Es bestand Streit
über die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie, über die Verzinsung des die 40 %-Grenze übersteigenden Eigenkapitals (EK II), daraus resultierend über eine Neuberechnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer, sowie über die Frage, ob auch im vereinfachten Verfahren in die Erlösobergrenze vor Beginn der Regulierungsbehörde auf Verlangen des Netzbetreibers ein pauschalierter Investitionszuschlag nach Maßgabe des § 25 ARegV einzubeziehen sei.(2) Ermittlung der vorübergehend nicht beeinflussbaren und der beeinflussbaren Kostenanteile
Einige Beschwerdeführer meinten, dass eine Berücksichtigung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors gemäß § 9 ARegV von der Ermächtigungsnorm des § 21a EnWG nicht gedeckt sei und diese auch nicht in Einklang mit der Regulierungsformel aus Anlage 1 zur ARegV stünde.
(3) Anwendung des Erweiterungsfaktors (§ 10 ARegV)
Nach Auffassung der Beschwerdeführer sollte bei der Bestimmung der Erlösobergrenze gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ARegV i. V. m. § 10 ARegV bereits im ersten Jahr der Regulierungsbehörde ein Erweiterungsfaktor zu berücksichtigen sein.
(4) Auflagenvorbehalt zur Mehrerlösabschöpfung
Zudem sahen die Beschwerdeführer den Auflagenvorbehalt zur Mehrerlösabschöpfung als unzulässig an.
Der Kartellsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes hatte in den mündlichen Verhandlungen Erörterungsbedarf lediglich zu folgenden Fragen:
(1) Ermächtigungsnorm des § 21 a EnWG für § 9 ARegV
Anders als das OLG Naumburg meint der Kartellsenat mit der Landesregulierungsbehörde, dass es sich bei dem generellen sektoralen Produktivitätsfaktor um einen Berechnungsfaktor zur Ermittlung der jeweiligen Erlösobergrenze handelt und dieser Faktor deshalb in den Anwendungsbereich des § 21 a Abs. 4 EnWG fällt. Der Produktivitätsfaktor wurde nicht als Effizienzvorgabe eingeordnet. Der Kartellsenat prüfe, ob der Gesetzgeber gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen haben könnte, weil sich in § 21 a Abs. 4 EnWG kein ausdrücklicher Hinweis auf den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor finde. Seitens der Landesregulierungsbehörde und der Bundesnetzagentur wird davon ausgegangen, dass ein solcher gesonderter Hinweis nicht erforderlich war. Der Produktivitätsfaktor ist immanenter Faktor der Anreizregulierung. Als solcher bedarf er keiner gesonderten Erwähnung. Angesichts der nicht allzu strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Bestimmtheit von Ermächtigungsnormen genügt der Wortlaut, um den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor in der § 9 ARegV verfassungskonform regeln zu können. Aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt sich keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, alle Einzelheiten der Berechnung der Erlösobergrenzen in einem formellen Gesetz zu regeln.
(2) § 4 Abs. 2 ARegV als Sonderregelung bei erstmaliger Durchführung der Anreizregulierung zur Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze
Ganz klar sei für den Senat, dass bei Netzbetreibern, welche die Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV gewählt hatten und die ferner im Rahmen der Genehmigung der Netzentgelte nach § 6 Abs. 2 ARegV keine Erhöhung der Netzentgelte auf der Datengrundlage des Jahres 2006 beantragt hatten, die anerkannten Kosten der Netzentgeltgenehmigung bei der Berechnung bei der Bestimmung der Erlösobergrenzen zugrunde zu legen sind, und zwar ohne Veränderung. Bei Netzbetreibern, die eine Teilnahme am vereinfachten Verfahren nach § 24 ARegV gewählt, allerdings im Rahmen der Genehmigung der Netzentgelte gem. § 6 Abs. 2 eine Erhöhung der Netzentgelte auf der Datengrundlage des Jahres 2006 beantragt hatten, folge dies jedoch nicht aus § 34 Abs. 3 ARegV, sondern sei allein § 6 Abs. 2 für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der Erlösobergrenze maßgeblich. Das hier verwendete „Heranziehen" sei für den Senat auslegungsbedürftig. Für die Landesregulierungsbehörde und die Bundesnetzagentur wurde vorgetragen, dass die Regelung des § 6 Abs. 2 ARegV nicht anders zu verstehen ist als die Regelung in § 34 Abs. 3 ARegV. Eine Kostenprüfung soll im vereinfachten Verfahren nicht stattfinden.
Im übrigen ging der Kartellsenat nach vorläufiger Beratung davon aus, dass
die Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie als Härtefall eine anderweitige Verzinsung des die 40 %-Grenze übersteigenden Eigenkapitals (EK II) eine daraus resultierende Neuberechnung der kalkulatorischen Gewerbesteuer und die Einbeziehung eines pauschalierten Investitionszuschlages nach Maßgabe des § 25 ARegVin den vereinfachten Verfahren zu recht von der Landesregulierungsbehörde abschlägig befunden worden sei. Auch die Anwendung des Erweiterungsfaktors käme im ersten Jahr der Regulierungsbehörde nicht in Betracht. Ein Auflagenvorbehalt zur Mehrerlösabschöpfung dürfte als belastende Nebenbestimmung für den insgesamt begünstigenden Verwaltungsakt zulässig sein.
Termin zur Verkündung der Entscheidungen ist für den 12. Januar 2010, 12.00 Uhr, anberaumt. Gesonderter Bericht folgt nach Vorlage der begründeten Beschlüsse.