In Deutschland stehen viele Krankenhäuser unter finanziellem Druck. Hauptursache ist die langjährige systematische Unterfinanzierung des Krankenhaussektors.
Mit dem Ziel, auch in Zukunft die Krankenhausversorgung sicherzustellen, hatte der Deutsche Bundestag am 17. Oktober 2024 mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVGG) die umstrittene Krankenhausreform beschlossen.
Noch einen Tag zuvor nahm der Gesundheitsausschuss zahlreiche Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung an, die im Schwerpunkt eher Details und die technische Umsetzung der Reform betrafen.
Nachdem auf der Sitzung des Bundesrats am 22. November 2024 ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht die nötige Mehrheit fand, tritt das Gesetz nunmehr zum 1. Januar 2025 in Kraft.
Mit der seit Jahrzehnten größten Reform im Gesundheitssektor soll die stationäre Versorgung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers effizienter gestaltet werden. Wesentliche Ziele sind dabei die Entökonomisierung, Qualitätssicherung und Entbürokratisierung der stationären Behandlung.
Eckpunkte der Reform
Vorhaltevergütung statt Fallpauschalen
Mit der Reform soll das vor Jahrzehnten eingeführte DRG-Fallpauschalensystem angepasst werden. Hierbei wurden bislang verschiedene Krankenhausleistungen klassifiziert nach Diagnosen und Prozeduren vergütet. Die Höhe der für die Klinik tatsächlich entstandenen Kosten war dabei irrelevant.
Mit dem Inkrafttreten des KHVVG wird jetzt das sogenannte Vorhaltebudget eingeführt.
Kliniken erhalten dann zukünftig 60 Prozent der Vergütung für das bloße Vorhalten von Leistungsangeboten, unabhängig von einer tatsächlichen Leistungserbringung. Die restlichen 40 Prozent müssen über tatsächliche Behandlungsfälle erwirtschaftet werden. Mit diesem System sollen Krankenhäuser nach den Vorstellungen des Gesetzgebers finanziell entlastet und Fehlanreize zur Erbringung vermeintlich „lukrativer“, aber medizinisch nicht zwingend notwendiger medizinischer Behandlungen vermieden werden.
Einteilung in Leistungsgruppen
Die Ausschüttung der Vorhaltevergütung und die Vergütung von Behandlungen erfolgt leistungsgruppenbezogen. Insgesamt gibt es 65 Leistungsgruppen. Für diese Gruppen werden jeweils bestimmte Qualitätskriterien als Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität festgelegt.
Zugewiesen werden die Leistungsgruppen durch die Bundesländer. Sie entscheiden, welche Leistungsgruppe von welcher Klinik angeboten werden darf. Voraussetzung für die Zuweisung von Leistungsgruppen ist die Erfüllung von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Erfüllung der Qualitätskriterien auch durch Kooperationen und Verbünden zulässig.
Mithilfe der Qualitätskriterien soll die medizinische Versorgung gestärkt werden. Indem bestimmte Leistungen nur noch von Krankenhäusern erbracht werden, die den zuvor festgesetzten Vorgaben an Personal und Technik genügen, sollen die Behandlungserfolge steigen, die Mortalitätsraten sinken und Revisionsoperationen vermieden werden.
Bis Ende 2026 sollen die Länder den Kliniken Leistungsgruppen zuweisen können. Die Finanzierung soll in den Jahren 2027 und 2028 schrittweise auf das neue System umgestellt werden.
Ausnahmeregelungen
Grundsätzlich erhalten die Vergütung nur Kliniken, die die jeweiligen Qualitätskriterien erfüllen und denen eine Leistungsgruppe zugewiesen ist. Um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, sind jedoch Ausnahmeregelungen vorgesehen.
Krankenhäuser, die nicht innerhalb einer gesetzlichen Entfernung zu erreichen sind, können von der Erfüllung der Qualitätskriterien befreit werden. Für die Leistungsgruppen der Allgemeinen Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie ist eine Erreichbarkeit von dreißig PKW-Fahrzeugminuten vorgesehen. Die übrigen Leistungsgruppen müssen innerhalb von vierzig PKW-Fahrzeugminuten erreichbar sein.
Die Zuweisung einer Leistungsgruppe trotz mangelnder Qualitätskriterien ist in solchen Ausnahmen grundsätzlich auf drei Jahre befristet und mit Auflagen zur Qualitätssteigerung verbunden.
Auch bedarfsnotwendige Krankenhäuser auf dem Land müssen keine Abteilung schließen, wenn ein Facharzt fehlt. Zwar sind diese sogenannten Sicherungshäuser im Rahmen der Reform zu einer Qualitätssteigerung verpflichtet, unter Umständen ist die Ausnahme jedoch dauerhaft zulässig.
Zur weiteren Unterstützung von bedarfsnotwendigen Krankenhäusern im ländlichen Raum werden zudem die bereits bestehenden Zuschläge erhöht.
Darüber hinaus können die Bundesländer zukünftig sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level Ii) bestimmen, wo stationäre, ambulante und pflegerische Leistungen angeboten werden. Hierdurch soll insgesamt eine wohnortnahe Grundversorgung sichergestellt werden.
Bei der stationären Behandlung von Kindern sollen Krankenhäuser künftig die volle Fallpauschale erhalten, selbst wenn der Aufenthalt der Patienten kürzer ist als zunächst diagnostiziert.
Für die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin sowie für die Teilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung werden neben der Vorhaltevergütung weitere Zuschläge ausgezahlt.
Entlastung durch effizienteren Ressourceneinsatz
Aktuell erfolgt die Dokumentation einzelner Leistungen unter anderem zur Weiterbehandlung, zu Abrechnungszwecken und zur Untersuchung der Qualität von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen, hauptsächlich schriftlich.
Um den hierbei entstehenden Aufwand zu reduzieren, sollen mit der Krankenhausreform die Prüfungen des Medizinischen Dienstes zu Qualitätskriterien, Strukturmerkmalen und Qualitätsanforderungen in Krankenhäusern harmonisiert und vereinheitlicht sowie eine grundsätzlich elektronische Datenübermittlung im Rahmen dieser Prüfungen eingeführt werden. Die Prüfungsergebnisse und Mitteilungen werden sodann auf einer Datenbank des Medizinischen Dienstes Bund gesammelt.
Der Gemeinsame Bundesausschuss soll Qualitätsanforderungen zudem künftig nur noch in seinen Richtlinien normieren, soweit diese nicht bereits in den Leistungsgruppen festgelegt sind.
Außerdem sollen die Krankenhäuser durch eine Umstellung von Einzelfallprüfungen auf Stichprobenprüfungen von zusätzlicher Bürokratie entlastet werden.
Finanzierung der Umstrukturierung
Zur Finanzierung der Umstrukturierungsprozesse in den Kliniken wird ein Transformationsfonds eingerichtet. Dafür werden in den Jahren 2026 bis 2035 insgesamt 25 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bereitgestellt.
Die Inanspruchnahme der Förderung setzt unter anderem die Beteiligung der Länder an der Finanzierung der zu fördernden Vorhaben mit mindestens 50 Prozent voraus. Im Rahmen dieser Ko-Finanzierung kann ein Bundesland auch den Krankenhausträger an den Kosten des Vorhabens beteiligen.
Mit der Umsetzung der zu fördernden Vorhaben darf jedoch nicht vor dem 1. Januar 2026 begonnen werden, um den gezielten Einsatz der Mittel zur Erreichung der Gesetzesziele nicht zu gefährden. Mit den Planungen darf bereits vorher begonnen werden.
Zur Sicherstellung eines nahtlosen Übergangs der Krankenhausförderung wird die Laufzeit des bereits bestehenden Krankenhausstrukturfonds um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2025 verlängert.
Kritikpunkte
Kritische Stimmen, etwa der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Bundesärztekammer, weisen darauf hin, dass die Reform unter anderem im Bereich der Krankenhausplanung, der Sicherung der flächendeckenden Grundversorgung und der nachhaltigen Finanzierung noch erhebliche Lücken aufweist, die zeitnah von Bund und Ländern geschlossen werden müssen.
Im Hinblick auf die Leistungsgruppensystematik heißt es, diese nun schnell und sachorientiert anzupassen. Auch für die ärztliche Weiterbildung im Rahmen der veränderten qualitativen Anforderungen bedarf es schneller Lösungen und gesicherter Finanzierung.
Zudem müsste die vorgesehene Vorhaltevergütung weiter ausgebaut werden. Momentan erreicht sie weder das Ziel einer fallzahlenunabhängigen Betriebsmittelfinanzierung noch einer Ablösung der DRG-Fallpauschalensystematik. Es spricht leider einiges dafür, dass die systematische Unterfinanzierung der Krankenhäuser auch durch die Krankenhausreform nicht vollständig abgestellt wird.
Ausblick
Um den Kliniken Planungssicherheit zu geben, müssen Bund und Länder zeitnah an der konkreten Umsetzung der Krankenhausreform arbeiten. Notwendige gesetzliche Änderungen sind dann in der bevorstehenden neuen Legislaturperiode umzusetzen.
Für die gezielte Umsetzung der Krankenhausreform ist in den kommenden Wochen und Monaten zudem die Ausarbeitung eines zuverlässigen und transparenten Auswirkungstools erforderlich.
In jedem Fall ist eine verbesserte Finanzierung des Krankenhaussektors zu gewährleisten und die systematische Unterfinanzierung zu beenden.
GÖRG Hospital Desk
Die meisten Krankenhäuser bereiten sich schon seit längerem intensiv auf die Krankenhausreform vor. Mit Blick auf die Einführung der Leistungsgruppen wird es bei vielen Krankenhäusern eine signifikante Umstrukturierung mit etwaigen neuen Kooperationen, aber auch eventuell der Schließung bestimmter Fachabteilungen geben. Bei diesen erforderlichen Umstrukturierungen stellen sich in vielen Bereichen vielfältige rechtliche Fragen, die einer kompetenten anwaltlichen Beratung mit entsprechender Expertise in diesem speziellen Sektor des Gesundheitswesens bedürfen.
GÖRG hat diese Expertise im GÖRG Hospital Desk gebündelt. Dort stehen kompetente und miteinander vernetzte anwaltliche Berater bei allen anstehenden Umgestaltungen in den verschiedenen Rechtsgebieten zur Verfügung.
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