Der Klinik-Atlas stößt an rechtliche Hürden
Über eine neue Internetseite können sich Patienten über Krankenhäuser informieren. Das hat Tücken.
Der vor Kurzem gesetzlich eingeführte "Klinik-Atlas" soll mehr Transparenz in die Krankenhausversorgung bringen. Patienten können sich so im Vorfeld einer Behandlung über Leistungen und Qualität eines Krankenhauses informieren. Dafür sind Daten etwa zu Verfügbarkeiten, Erfahrungen bei bestimmten Eingriffen oder der Qualität der Leistungen vor Ort online einsehbar. Die Krankenhäuser müssen daher quartalsweise sowie einmal jährlich ihre für die Einsichtnahme erforderlichen Daten an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) übermitteln. Diese Daten werden dann vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) mit vorhandenen Daten ausgewertet und schließlich vom Bundesgesundheitsministerium im Klinik-Atlas veröffentlicht. Darüber hinaus sieht das Krankenhaustransparenzgesetz eine Einordnung von Krankenhäusern in verschiedene Level vor, wobei die Einordnung - vereinfacht dargestellt - von Level 1 (Basisversorger) bis Level 3 (komplexer Leistungserbringer) reicht. Ein hohes Level erreicht eine Klinik dadurch, dass ihr viele Leistungsgruppen zugewiesen werden.
Rechtlich ist das umstritten. Zum einen wird der Klinik-Atlas angesichts schon bestehender Informationsportale als überflüssig angesehen. Das ist nicht nur eine Frage der Arbeitsorganisation, sondern hat auch eine rechtliche Komponente: Die neue Pflicht der Krankenhäuser zur Lieferung von umfangreichen Datenbeständen könnte mit Blick auf den damit verbundenen Aufwand und den dadurch erreichten Erkenntnisgewinn gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datenminimierung verstoßen, wenn diese Pflicht nicht erforderlich ist.
Zum anderen wenden Kritiker ein, dass die bloße Anzahl von Leistungsgruppen keine Aussage über die erbrachte Qualität treffe: Kleinere, aber hoch spezialisierte Krankenhäuser könnten hierunter zu leiden haben, da ein größeres Krankenhaus im Zweifel mehr Leistungsgruppen und damit auch ein höheres Level erreichen werde als ein kleineres - obwohl die Behandlungsqualität in den kleineren Einheiten sogar besser sein könne. Hier könnte ebenfalls der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz tangiert sein, weil es fraglich ist, ob die Level-Einstufung jedenfalls als isoliertes Kriterium geeignet ist. In beiden Fällen könnten die Kliniken vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen klagen, das für Streitigkeiten erstinstanzlich zuständig ist. Angesichts des Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers ist allerdings zweifelhaft, ob ein Gericht das Gesetz als unverhältnismäßig ansehen würde.
Aber auch aus den veröffentlichten Daten selbst ergeben sich neue rechtliche Fragestellungen. In jüngster Zeit wurde kritisiert, dass einige Angaben im Klinik-Atlas veraltet, unvollständig und unzutreffend seien. Für fehlerhafte Daten können potentiell mehrere Akteure verantwortlich sein, darunter Krankenhäuser, die unzutreffende Daten liefern, das IQTIG, das die Daten aufbereitet und bewertet, oder das InEK, das die Zuordnung zu den Leveln vornimmt. Patienten könnten aufgrund fehlerhafter Angaben eine nicht sachgerechte Auswahlentscheidung der für die Behandlung ihrer Erkrankung geeigneten Klinik treffen. Dies ginge sowohl zulasten der Patienten als auch der betroffenen Krankenhäuser. Im Gesetz selbst ist nicht ausdrücklich geregelt, wer auf welcher Grundlage für fehlerhafte Angaben im Klinik-Atlas haftet. Es gelten daher die allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch wäre der Nachweis eines Schadens, der Patienten oder Krankenhäusern ursächlich durch die fehlerhaften Angaben im Klinik-Atlas entstanden ist. Es dürfte allerdings schwierig sein, einen solchen Nachweis zu führen.
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