Nachdem der Senat von Berlin am 18. Juni 2019 Eckpunkte zum sogenannten „Mietendeckel“ beschlossen hatte (vgl. Legal Update vom 25.06.2019) und die zuständige Senatsverwaltung daraufhin einen Referentenentwurf konzipiert hatte (vgl. Legal Update vom 19.09.2019), hat der Senat von Berlin auf dieser Grundlage am 22. Oktober 2019 nunmehr den Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln)“ beschlossen. Das Gesetz soll im Januar 2020 in Kraft treten und automatisch fünf Jahre danach wieder außer Kraft treten. Mit Inkrafttreten gilt rückwirkend auf den Stichtag 18. Juni 2019 ein Mietenstopp, d.h. die Mieten werden auf dem Stand per Stichtag eingefroren. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes sind voraussichtlich rund 1,5 Mio. Berliner Mietwohnungen betroffen.
Bundesgesetzliche „Mietpreisbremse“
Schon bisher besteht eine bundesgesetzlich festgelegte „Mietpreisbremse“ für Wohnraum, die für von den Ländern festzulegende Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten gilt (§ 556d BGB). Im Fall Berlins ist das gesamte Landesgebiet als angespannter Wohnungsmarkt festgelegt worden. Danach darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen. Das Bundesverfassungsgericht hält diese Regelung für verfassungskonform.
Gesetzentwurf zum „Berliner Mietendeckel“
Der Entwurf des „Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ enthält gegenüber der „Mietpreisbremse“ in § 556d BGB erheblich weitreichendere Regelungen, die nachfolgend skizziert werden. Der ursprüngliche Referentenentwurf und der nunmehr vom Senat beschlossene Gesetzentwurf weichen zudem in nicht unerheblichen Fragen voneinander ab.
Anwendungsbereich
Das Gesetz gilt für alle im Land Berlin bestehenden Wohnraummietverhältnisse mit Ausnahme besonderer Konstellationen.
In diesem Sinne nicht vom Gesetz erfasst sind Mietverhältnisse über Wohnraum des öffentlich geförderten Wohnungsbaus und über Wohnraum, der ab dem 1. Januar 2014 erstmalig bezugsfertig wurde, sowie Wohnheime und Wohnraum, der durch Träger zur Überlassung an Personen mit dringendem Wohnbedarf gemietet oder vermietet wird. Neu im Gesetzentwurf ist geregelt, dass auch Wohnraum, für den Mittel aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und Instandsetzung gewährt wurden und der einer Mietpreisbindung unterliegt, nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst wird.
Mietenstopp
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Die Berliner Nettokaltmieten einschließlich etwaiger Zuschläge für Mobiliar und Ausstattungsgegenstände dürfen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht erhöht werden. Die Bestandsmieten werden für diesen Zeitraum auf den Stand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Eckpunktepapiers am 18. Juni 2019 gedeckelt. Das gilt auch für vereinbarte Staffel- und Indexmieten. Sie werden ebenfalls auf die am 18. Juni 2018 bestehende Miete eingefroren.
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Bei der Zweitvermietung von Wohnungen darf grundsätzlich höchstens die zuletzt vereinbarte Miethöhe aus einem vorherigen Mietverhältnis und höchstens bis zu den Mietobergrenzen verlangt werden. Einzige Ausnahme: Beträgt die danach zulässige Miete weniger als 5,02 Euro je Quadratmeter Wohnfläche monatlich und weist die Wohnung eine moderne Ausstattung auf, darf die Miete bei Wiedervermietung um einen Euro, höchstens jedoch auf 5,02 Euro je Quadratmeter Wohnfläche monatlich erhöht werden.
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Auch bei der Erstvermietung bisher unvermieteter Wohnungen, sind vom Vermieter die Mietobergrenzen einzuhalten
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Die vorgenannten Höchstwerte steigern sich ab dem 1. Januar 2022 jährlich um den Prozentsatz der seit dem Stichtag eingetretenen Inflation, höchstens jedoch um 1,3 Prozent, soweit die Mietobergrenze hierdurch nicht überschritten wird.
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Die Vermieter sind verpflichtet, den Mietern bei Neuvermietung oder auf Anforderung von Mietern und Bezirksamt die zum Stichtag (18. Juni 2019) geltende bzw. zuletzt geschuldete Miete mitzuteilen.
Mietobergrenzen
- Es werden Mietobergrenzen eingeführt, die auch für bereits bestehende Mietverträge gelten. Sie richten sich nach dem Jahr der erstmaligen Bezugsfertigkeit der Wohnung sowie der Ausstattung (Sammelheizung, Bad) und reichen von 3,92 Euro (bis 1918 ohne Sammelheizung/Bad) bis 9,80 Euro (2003 bis 2013 mit Sammelheizung/Bad) pro Quadratmeter/Monat. Die Tabelle mit den zunächst geltenden Mietobergrenzen ist am Ende dieses Legal Update wiedergegeben. Die Tabelle kann von der zuständigen Senatsverwaltung nach Ablauf von jeweils zwei Jahren zum Zweck der Anpassung an die allgemeine Reallohnentwicklung fortgeschrieben werden.
- Liegt der Wohnraum in Gebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen erhöht sich die Mietobergrenze um einen Zuschlag von zehn Prozent.
- Im Vergleich zum Referentenentwurf ist im Gesetzentwurf bei den Mietobergrenzen erstmals eine Differenzierung nach der Ausstattungsqualität der Wohnung vorgesehen.
Für Wohnraum mit moderner Ausstattung erhöht sich die Mietobergrenze um einen Euro pro Quadratmeter/Monat. Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn der Wohnraum wenigstens drei der folgenden fünf Merkmale aufweist:
- schwellenlos von der Wohnung und vom Hauseingang erreichbarer Personenaufzug,
- Einbauküche,
- hochwertige Sanitärausstattung,
- hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume,
- Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m² a).
Wird die Mietsache nach Inkrafttreten des Gesetzes modernisiert, erhöht sich die Mietobergrenze um höchstens einen Euro (vgl. unten). Gestrichen wurde hingegen die noch im Referentenentwurf vorgesehene Erhöhung der Mietobergrenze von bis zu 1,40 Euro für bis zu 15 Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes durchgeführte Modernisierungen.
Kappung überhöhter Mieten
- Den Mietern wird ab dem Zeitpunkt neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes ein Anspruch auf Kappung einer überhöhten Miete eingeräumt, den sie durch einen Antrag bei der zuständigen Senatsverwaltung geltend machen müssen. Die Kappung tritt mit Wirkung ab dem auf den Tag der Antragstellung folgenden Kalendermonat ein.
- Eine Miete wird als überhöht angesehen, soweit die Miete die zulässige Mietobergrenze um zwanzig Prozent übersteigt. Dabei wird die Wohnlage berücksichtigt: Bei einfachen Wohnlagen sind 0,28 Euro und bei mittleren Wohnlangen 0,09 Euro von der Obergrenze abzuziehen. Bei guten Wohnlagen sind 0,74 Euro auf die Mietobergrenze aufzuschlagen. Eine Definition dieser Wohnlagen enthält der Gesetzentwurf nicht; vielmehr wird die Senatsverwaltung für Wohnungswesen ermächtigt, die Wohnlagezuordnung durch Rechtsverordnung festzulegen. Anders als noch im Referentenentwurf kommt es auf den Anteil der individuellen Mietbelastung am Gesamteinkommen des Mieters nicht an.
- Zu beachten ist, dass sowohl die Toleranzschwelle zur Überschreitung der jeweiligen Mietobergrenze um bis zu zwanzig Prozent als auch die Berücksichtigung der Wohnlage der Wohnung nur im Fall einer Kappung der Miete in einem bestehenden Mietverhältnis erfolgt. Sofern hingegen eine Wohnung nachvermietet oder erstmalig vermietet wird, wird weder die Wohnlage berücksichtig noch darf eine Überschreitung der Mietobergrenzen erfolgen.
Mieterhöhungen nach Modernisierungen
- Modernisierungsumlagen werden begrenzt und diesbezügliche Anzeigepflichten für Vermieter begründet.
- Anzeige-, aber nicht genehmigungspflichtig sind Modernisierungsumlagen, wenn sich dadurch die Miete um nicht mehr als ein Euro pro Quadratmeter erhöht und die Mietobergrenze um nicht mehr als ein Euro überschritten wird.
- Voraussetzung für die Umlegung von Modernisierungskosten ist, dass eine der nachfolgenden Fallgruppen der Modernisierungsmaßnahme vorliegt:
- Verpflichtung des Vermieters aufgrund eines Gesetzes zur Modernisierung;
- Wärmedämmung der Gebäudehülle, der Kellerdecke, der obersten Geschossdecke oder des Daches;
- Nutzung erneuerbarer Energien;
- energetische Fenstererneuerung;
- Heizanlagenaustausch;
- Aufzugsanbau;
- Abbau von Barrieren durch Schwellenbeseitigung, Türverbreiterung oder Badumbau.
- Andere Modernisierungskosten sind nicht auf die Miete umlegbar. Für darüber hinausgehende Kosten von Modernisierungen bis zu maximal einem weiteren Euro pro Quadratmeter Wohnfläche wird der Senat Förderprogramme zur Verfügung stellen.
Mieterhöhungen in Härtefällen
In Härtefällen kann der Vermieter bei der Investitionsbank Berlin einen Antrag auf Genehmigung einer angemessenen Mieterhöhung stellen, soweit dies aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Vermieters liegen, erforderlich ist. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die Beibehaltung der zulässigen Miete auf Dauer zu Verlusten für die Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würde.
Sofern die Investitionsbank Berlin eine Überschreitung der Mietobergrenze genehmigt, ist der betroffene Mieter berechtigt, bei der Investitionsbank Berlin einen Mietzuschuss bis zur Höhe der Überschreitung der Mietobergrenze bei der Investitionsbank Berlin zu beantragen.
Verstöße als Ordnungswidrigkeiten
Verstöße gegen das Gesetz werden als Ordnungswidrigkeit behandelt und mit einem Ordnungsgeld von bis zu EUR 500.000,00 geahndet.
Rechtsbehelfe
Gegen behördliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Gesetz findet zunächst ein Widerspruchsverfahren statt. Die aufschiebende Wirkung solcher Widersprüche und anschließender Klagen wird allerdings durch das Gesetz ausgeschlossen.
Verfassungsrechtliche Diskussion
Die Regelungen des Gesetzes sind in verfassungsrechtlicher Sicht umstritten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für die Begrenzung der Mietenhöhe. Für das bürgerliche Mietrecht ist der Bund als Gesetzgeber zuständig. Auf diese Kompetenz stützt sich auch die „Mietpreisbremse“ des § 556d BGB. Der Berliner Senat beabsichtigt, den „Mietendeckel“ auf die Landeskompetenz für die Regelung des Wohnungswesens zu stützen. Das Land Berlin wäre das bisher einzige Bundesland mit einer entsprechenden Regelung.
Der „Mietendeckel“ ist ferner mit Blick auf das Eigentumsgrundrecht der Vermieter nach Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 23 Berliner Landesverfassung, die Vertragsfreiheit, die Berufsfreiheit und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kontroversen verfassungsrechtlichen Diskussionen ausgesetzt.
Die Rückverlagerung des Geltungsbeginns des Gesetzes auf einen Zeitpunkt vor dessen Beschluss ist verfassungsrechtlich ebenfalls von Bedeutung.
Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen unterliegt engen Ausnahmevoraussetzungen.
Ausblick und weiteres Vorgehen
Die vorstehende Übersicht gibt den Inhalt des vom Senat von Berlin beschlossenen Gesetzentwurfs wieder. Es ist möglich, dass sich noch Einzelheiten im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ändern. Die Grundsystematik – Mietenstopp und Mietobergrenze mit einem Anspruch auf Herabsetzung der Miete – dürfte allerdings bestehen bleiben. Es ist daher damit zu rechnen, dass sowohl die Verfassungskonformität als auch die praktische Anwendung des Gesetzes zu umfangreichen Rechtsstreitigkeiten führen werden.
Bei den anstehenden behördlichen Entscheidungen zur Kappung von Mieten handelt es sich um Verwaltungsakte, gegen die betroffene Vermieter Widerspruch und bei Erfolglosigkeit im Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erheben müssen. Da die aufschiebende Wirkung solcher Widersprüche und Klagen durch das Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen ist, müsste ein Vermieter zusätzlich beim Verwaltungsgericht im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage stellen, um zu verhindern, dass ein Mieter auf Grundlage der behördlichen Entscheidung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage des Vermieters seine Miete reduziert. Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Verwaltungsgerichtsverfahren.
Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Verfahren prüft das Gericht ggf. inzident, ob das Gesetz verfassungswidrig ist. Geht es davon aus, muss es das Gesetz der Verfassungsgerichtsbarkeit vorlegen.
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Mieter auch zivilrechtlich versuchen werden, die Rückzahlung von unter Verstoß gegen den Mietenstopp und Mietobergrenzen gezahlte Mieten von Vermietern geltend zu machen. Bereits heute ist daher Vermietern zu empfehlen, ihr beabsichtigtes Vorgehen unter Einbindung rechtlicher Berater mit umfassenden Erfahrungen im Verfassungs-, Verwaltungs- und Immobilienrecht kurzfristig und für die Zukunft abzustimmen, um für rechtliche Auseinandersetzungen in einer voraussichtlich zu erwartenden Vielzahl von Verfahren gewappnet zu sein. Auch bei geplanten Immobilienankäufen müssen die Auswirkungen des geplanten Berliner Mietendeckels auf die künftige Ertragskraft der Immobilie sorgfältig geprüft werden.