„Große Krankenhausreform“ – Ende des Fallpauschalensystems?

Berlin, 26.01.2023

Viele Krankenhäuser in Deutschland befinden sich in einer finanziellen Schieflage. Es besteht ein weitestgehender Konsens darüber, dass dies strukturelle Gründe hat und nur durch eine grundlegende Reform des Krankenhauswesens überwunden werden kann. Entsprechend dem Koalitionsvertrag will das von Karl Lauterbach geführte Bundesgesundheitsministerium Reformen im Krankenhauswesen angehen. Am 6. Dezember 2022 legte die hierfür eingesetzte Regierungskommission ihre Stellungnahme und Empfehlung für eine „grundlegende Reform der Krankenhausvergütung“ vor. Diese sei notwendig, da anderenfalls die Krankenhausversorgung kollabiere. Die Reformbestrebungen sind deshalb für private Investoren aber auch für den gesamten Krankenhaussektor von höchster Relevanz.

Status Quo – Problematik

DRG-Fallpauschalensystem

Fallpauschalen oder Diagnosis Related Groups (DRG) beschreiben ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren, mit dem verschiedene Krankenhausleistungen, klassifiziert nach verschiedenen Diagnosen und Prozeduren vergütet werden. Der tatsächlich entstandene Kostenaufwand für das Krankenhaus ist für die Höhe der Vergütung irrelevant.

Nach Auffassung der Kommission setzt dieses System falsche wirtschaftliche Anreize. Es würden viele im Zweifelsfall „unnötige“ Behandlungen durchgeführt und Patienten frühzeitig entlassen, um eine höhere Rentabilität zu erzielen. Deutschland finanziere seine Krankenhäuser im weltweiten Vergleich am stärksten über Leistungs- oder Mengenanreize. Anreize zur mengenmäßigen Vorhaltung bestimmter Leistungen seien hingegen nicht vorhanden. Dies unterscheide Krankenhäuser von anderen Bereichen kritischer Infrastruktur und Einrichtungen der Daseinsvorsorge (z.B. Feuerwehr). Welche Folgen hieraus resultieren könnten, zeige sich anhand der aktuellen Situation in der Kinder- und Jugendmedizin.

Defizite in der Krankenhausplanung

Zeitgleich fehle es an Strukturqualität. In der Praxis würden zum Teil Leistungen erbracht werden, für die Fachabteilungen weder personell, technisch noch qualitativ ausgerichtet seien. Zu häufig würden Schlaganfälle ohne Stroke Unit oder Herzinfarkte ohne Linksherzkatheter behandelt werden. Die Ursache liege unter anderem in den Krankenhausplänen der Länder, die überwiegend Fachabteilungen, aber keine enger gefassten Leistungsbeschreibungen ausweisen würden.

Reformvorschläge der Kommission

Krankenhaus-Versorgungsstufen

Krankenhäuser sollen deshalb künftig anhand von bundesweit einheitlichen Definitionskriterien in Versorgungsstufen (sog. Level) eingeteilt werden.

Krankenhäuser des Level I umfassen die Grundversorgung. Unterteilt sind sie in Level Ii-Krankenhäuser und Level In-Krankenhäuser. Level Ii-Krankenhäuser übernehmen sektorübergreifend die stationär-ambulante Versorgung. Sie sollen auch unter pflegerischer Leitung stehen können. Level In-Krankenhäuser übernehmen die Notfallversorgung.

Krankenhäuser des Level II umfassen die Regel- und Schwerpunktversorgung, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten soll.

Level III-Krankenhäuser wie Universitätskliniken gehören zur sog. Maximalversorgung. Grundsätzlich gilt. Je höher die Versorgungsstufe, desto komplexer und spezieller ist das angebotene Leistungsspektrum der Krankenhäuser.

Fachkliniken werden hierbei gesondert berücksichtigt, da sie typischerweise keine Notaufnahmen haben, aber gleichwohl für die Versorgung der Bevölkerung elementar sind. Ihr Leistungsspektrum wird regelmäßig dem Level II oder III entsprechen.

An jede Versorgungsstufe werden einheitliche Mindeststrukturvoraussetzungen, beispielweise im Hinblick auf die Anzahl anzubietender Leistungsgruppen, Intensivbetten oder das Vorhandensein eines Hubschrauberlandeplatzes, gestellt.

Einteilung in Leistungsgruppen

Zusätzlich zur Einteilung in Versorgungsstufen sollen den Krankenhäusern bundeseinheitlich definierte Leistungsgruppen zugeteilt werden. Bis zu 128 Leistungsgruppen für die jeweiligen Fachbereiche (z.B. Innere Medizin oder Chirurgie) sind angedacht. Definiert werden diese nach ICD-10 Diagnosen und OPS-Codes (z.B. Kardiologie oder Endokrinilogie und Diabetologie).

An die Leistungsgruppen werden zur Sicherung von Qualitätsstandards ebenfalls Mindestvorgaben für Personal und Technik gestellt. Sie umfassen auch die Festlegung, welche Krankenhäuser welcher Versorgungsstufe jeweilige Leistungsgruppen erbringen dürfen. Grundsätzlich gilt hierbei, dass Krankenhäuser mit einer höheren Versorgungsstufe auch die Leistungsgruppen der niedrigeren Versorgungsstufe erbringen dürfen.

Überprüft werden soll die Einhaltung der Mindeststrukturvorgaben für Leistungsgruppen und Versorgungsstufen durch den Medizinischen Dienst im Rahmen von Strukturprüfungen. Auf deren Grundlage können die Bundesländer in ihren Krankenhausplänen die jeweiligen Versorgungsstufen und Leistungsgruppen zuteilen.

Die Zuteilung der Leistungsgruppen begründet den Versorgungsauftrag des Krankenhauses und wäre damit Voraussetzung für die Abrechnung von Behandlungen im GKV-System.

Vergütungsreform

Geplant ist ferner, dass sich die Vergütung der Krankenhäuser der Level In, II und III fortan aus einer fallmengenunabhängigen und einer fall-mengenabhängigen Komponente zusammensetzt.

Fallmengenunabhängig erhalten Krankenhäuser künftig zusätzlich zum Pflegebudget ein leistungsgruppenspezifisches Vorhaltebudget. Verteilt wird es durch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Finanziert werden soll der Vorhalteanteil durch die Reduzierung der alten DRG-Fallpauschalen (aDRGs) um diesen Anteil.

Für die Leistungsgruppen Intensivmedizin, Notfallmedizin, Geburtshilfe, Neonatalogie sollen Krankenhäuser einen Vorhalteanteil von 60 % erhalten. Für die übrigen Leistungsgruppen jeweils 40 %.

Fallmengenabhängig erhalten die Krankenhäuser weiterhin eine Vergütung über Fallpauschalen. Diese sind allerdings in ihrer Höhe im Vergleich zu den aDRGs wesentlich reduziert, da sie um den Anteil des Vorhaltebudgets gekürzt werden sollen. Sie sollen deshalb künftig Residual-DRGs (rDRGs) heißen.

Zur Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin wird zusätzlich ein Sonderfonds aufgelegt werden, der einen Aufschlag von bis zu 20 % auf das Vorhaltebudget und die künftigen Fallpauschalen ermöglicht.

Level Ii-Krankenhäuser hingegen werden künftig allein durch sachgerecht kalkulierte degressive Tagespauschalen vergütet, um ihrer besonderen Bedeutung für die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung gerecht zu werden. Sie würden demnach weder Vorhaltebudget noch Fallpauschalen erhalten.

Ausblick

Wie geht es weiter? Gegenwärtig haben die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern über die Krankenhausreform begonnen, die im Juli 2023 in ein konsentiertes Eckpunktepapier münden sollen. Auf dieser Grundlage soll ein Gesetzentwurf erarbeitet und noch in diesem Jahr das Gesetz beschlossen werden.

Bei der Gestaltung einer zukunftsfesten Entwicklung der einzelnen Krankenhäuser, ggf. auch im Rahmen von erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen, sind die anstehenden grundlegenden Änderungen im Krankenhaussektor und deren Auswirkungen genauestens im Blick zu behalten. Dafür bedarf es fachlich einschlägiger Expertise bei der anwaltlichen Beratung.

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